Transkript: Digitalspedition Sennder, das erste deutsche Logistiktech-Unicorn

Hallo und herzlich willkommen zum BVL.digital-Podcast. Ich bin euer Host, Boris Felgendreher, und ich freue mich ganz besonders darauf, euch heute diese Sendung präsentieren zu dürfen. Denn mein Gast heute ist David Nothacker, der Mitgründer und CEO der Berliner Digitalspedition Sennder.
David war im September 2019 der allererste Gast in diesem Podcast, und an den erinnert man sich natürlich noch besonders gerne zurück. Und für David war es damals auch der allererste Podcast, in dem er Gast war.

Ja, und jetzt hat Sennder vor ein paar Tagen natürlich für Riesen-Schlagzeilen gesorgt, denn in der neuesten Finanzierungsrunde wurde das Unternehmen mit über einer Milliarde Dollar bewertet. Und hat damit nun offiziell den Unicorn-Status erreicht. Sehr, sehr coole Sache!

Interview mit David Nothacker

David, herzlich willkommen zurück im BVL.digital-Podcast! Schön, dass du wieder dabei bist!

Freue mich, dabei zu sein.

David, ich sage zurück, denn du warst ja der allererste Gast im BVL.digital-Podcast! Zeit, an die ich sehr, sehr gerne zurückdenke, denn wir waren gemeinsam bei euch im Büro in Berlin. Face-to-face, kein Abstand, keine Maske, kein Schnelltest, da war die Welt noch in Ordnung.

Und seitdem ist auch eine ganze Menge bei uns passiert!

Allerdings, allerdings! Das war im September 2019, Episode Nummer eins, das war auch dein allererster Podcast, aber seitdem ist auch einiges passiert. Seitdem ist der Medienrummel um Sennder nicht gerade geringer geworden und das Interesse an der Firma ist dramatisch gestiegen. Gerade in den letzten Tagen, da kann man noch mal zu sprechen.

Zu Anfang erstmal herzlichen Glückwunsch zu den neuesten Neuigkeiten, die gerade durchkamen. Ich habe was vorbereitet. Achtung! Achtung! Herzlichen Glückwunsch zum Unicorn-Status!

Vielen Dank, ich glaube, die Finanzierungsrunde ist wichtiger als die Be-wertung, aber trotzdem vielen Dank!

Medienberichte über Sennder

Das stimmt, das wird von den Medien immer so ausgeschlachtet. Ich habe gesehen, du warst jetzt in allen möglichen Medien unterwegs, gestern Handelsblatt und FAZ und Wirtschaftswoche. Alle prominenten Medien berichten. Das ist natürlich auch nicht schlecht, oder?

Korrekt, und es hilft auch unserem Team zu verstehen, dass wir weiterwachsen und ein cooler Arbeitgeber bleiben und vielleicht auch, dass neue Leute, die eine neue Herausforderung suchen, dann an Sennder denken können.

Ja macht euch vor allem auch über die Grenzen von Deutschland hinaus noch ein bisschen attraktiver oder bekannter. Haben die ausländischen europäischen Medien schon berichtet? Oder ist es größtenteils das Interesse der deutschen Medien, das geweckt wurde?

Nö, (ich glaube) weltweit. Ich habe sogar in China gesehen, dass irgendwas veröffentlicht wurde. Muss noch Google Translate nutzen, um zu verstehen, was da geschrieben wurde. Ich habe kurz gesehen, dass dort in China auch etwas kam.

Ja, das Interesse von Investoren war ja auch damals schon groß. Ich kann mich erinnern – ich weiß nicht, ob du das noch weißt – aber als wir uns getroffen haben und ich meine Sachen aufgebaut habe, da bei euch im Konferenzraum, da hattest du eine kurze Verzögerung und du kamst rein und sagtest: Da waren noch irgendwelche Investoren aus Katar oder irgendwie aus dem Nahen Osten. Irgendwelche Investoren, die du noch kurz vorher getroffen hattest.

Wir hatten viele Investoren zu Besuch. War noch einer aus Katar da, oder aus Kuwait.

Habe ich gesagt: „Danke, da kann ich gerne drauf warten auf den kurzen Moment, bis wir uns endlich treffen können.“

Ein großer Sprung nach vorn?

So David, wie sieht’s aus, so ein Tag danach? Hast du lange nachgefeiert oder ist das für euch kein großes Ereignis?

Es ist jeden Fall ein superwichtiger Meilenstein, aber auch ein Meilenstein, der kommt so in Stücken. Es ist nicht so, dass man morgens aufsteht und sagt: Heute unterschreibe ich und die Welt ändert sich.
Wir haben über die letzten 2-3 Monate Stück für Stück uns darauf gefreut, weil es ging immer weiter und wenn man dann beim Notar sitzt,
dann hat man sich schon gefreut, freut sich natürlich noch mal groß. Aber es ist nicht so wow, ich wusste davon nichts und jetzt ist es komplett etwas, womit ich mich erstmal abfinden muss.

Es war die Situation, wo ihr aktiv noch mal an die Investoren rangeht und sagt: Pass mal auf, hat sich was geändert. Es geht richtig steil los! Wir brauchen noch mehr Geld für X und XYZ. Oder ist so eine Situation, wo die Investoren bereitwillig auf euch zukommen, noch mehr zu investieren oder beides?

Das Jahr 2020 im Rückblick

2020 war ein ganz spezielles Jahr für uns: Wir sind sehr schnell gewachsen, haben zwei Akquisitionen gemacht. Einmal Uber Freight (das Europageschäft) und dann Everoad (unser großer Wettbewerber aus Frankreich) und haben dann auch ein sehr spannendes Projekt in Italien gestartet (mit der italienischen Post ein Joint Venture).

All diese Themen haben dazu geführt, dass wir viele Investoren hatten, die sich dann gemeldet haben und gesagt haben: In Europa seid ihr jetzt deutlich weiter als die Konkurrenz. Etwas, was wir in den anderen Kontinenten nicht so sehen (in Amerika gibt es neben Uber Freight noch 3, 4, 5 andere große Player) und haben dann gesagt: Wollen wir nicht mal über Fundraising reden?

Haben wir gesagt: Eigentlich war das Jahr schon relativ anstrengend, aber wenn wir es schnell hinbekommen, machen wir trotzdem strukturierten Prozess, auf einer tighten Timeline, und haben dann Ende Oktober gesagt: Okay, wir machen das jetzt. Anfang November haben wir dann strukturiert mit ein paar Investoren gesprochen und dann kurz vor Weihnachten Termsheet unterschrieben. Weihnachten, Neujahr durchgearbeitet, um die ganze Due Dilligence hinzubekommen und die Verträge zu verhandeln und dann die Woche endlich alles unterschrieben und finalisiert.

Ja, sehr cool, dann auch gutes Timing dafür, dass wir dich angesprochen haben, ich dich angesprochen habe, wann wir mal die zweite Runde machen wollen. Da hatte ich, da hatten wir noch gar nicht sozusagen das letzte bisschen Gefühl. Meine ursprüngliche Idee war: Wir machen das Thema „Auf dem Weg zum Unicorn?“, wenn es soweit ist und jetzt können wir, kann man kein Fragezeichen an diese Frage setzen, sondern Ausrufezeichen! Sehr, sehr schön, hervorragend.

Es ging schneller, als wir anfangs dachten. Ja das war schön, dass das Timing auch gut gepasst hat.

Das Corona-Jahr

Ja lass uns noch mal das Jahr Revue passieren. Wir haben uns im September getroffen und dann, ein paar Monate später, dann kam die große Veränderung, die großen Neuigkeiten (Corona). Corona hatte für euch persönlich sehr große Auswirkungen erstmal aufs Büro in Berlin und auch für die Akquisition. Lass uns mal bisschen darüber sprechen, wie Corona euch geholfen oder verhindert hat, was so die großen Herausforderungen in Bezug auf Corona waren.

Durch Corona hat sich unser Geschäftsmodell weiterentwickelt, aber es war nicht leichter für uns, wir hatten ganz viele Herausforderungen:
Wir hatten Büros geschlossen. Wir haben zwei Akquisitionen komplett digital gemacht. Und auch die ganze Post-Merger-Integration, was nicht ganz so einfach war. Wir haben große Projekte gestartet, alles sozusagen vom Home-office.

Und es war nicht ganz einfach, aber trotzdem hat auch dieses 2020 uns erlaubt, diese Schritte zu machen. Diese zwei Akquisitionen wären wahrscheinlich nicht möglich gewesen, wäre Corona nicht gewesen. Dann hätten die Investoren von diesen zwei Unternehmen, die wir übernommen haben, auch ganz anders auf die Zukunft geblickt und dann wahrscheinlich auch einen Verkauf nicht in Erwägung gezogen. Und wir hatten auch die Möglichkeit, mit vielen Kunden, die plötzlich verstanden haben, dass Digitalisierung jetzt doch mal vorangetrieben werden muss, die konnten wir für uns gewinnen, Integration durchführen. Auch mit unseren Partnern, unseren Carrier-Frachtführern, konnten wir das ganze Thema Digitalisierung und digitale Prozesse stark vorantreiben. Die ganze Awareness zum Thema Digitalisierung ist auf jeden Fall gestiegen und die Angst, die viele haben, Technologie zu nutzen (in der Logistikbranche) ist so ein bisschen gesunken und das hat uns auf jeden Fall dann auch geholfen.

Da haben wir in der ersten Episode schon ausführlich darüber gesprochen, wo du geschrieben hast, wie das meiste in so kleinen Speditionen noch mit Bleistift und Notizbuch und im Idealfall noch mit Excel gemacht wird, aber in vielen Fällen sehr sehr analog halt. Da hat sich ja einiges geändert, sagst du.

Akquisitionen im Jahr 2020

Lass uns diese Akquisition mal eins nach dem anderen nehmen. Everoad war die erste? Richtig, das ist ein französischer Mitbewerber gewesen – eins zu eins dasselbe oder wie willst du die beschreiben?

Ja, am Ende, als wir sie übernommen haben, haben sie genau das gleiche gemacht. Sie sind ein bisschen anders gestartet, hatten eher einen kompletten Marktplatz-Ansatz, so wie ebay-Kleinanzeigen, konnten sich zwei Parteien treffen, war nicht wirklich skalierbar. Dann haben sie sich in Spedition weiterentwickelt und Speditionsgeschäft weiterentwickelt und dann erstmal mit kleineren Unternehmen zusammengearbeitet, die erstmal Paletten verschicken mussten und vielleicht halbe LKWs, weil es einfacher war, diese Kunden zu akquirieren, aber dann auch verstanden, dass es ein bisschen komplexer war, das zu skalieren. Und erst dann im dritten Schritt
haben sie sich in unsere Richtung bewegt, dann haben sie auch einen Fokus auf Komplettladung, überregionale Transporte, die regelmäßig durchgeführt werden, gehabt. Und das hat dann super gepasst, weil wir in Frankreich kein Büro hatten. Wir wollten 2020 ein Büro öffnen und hatten wirklich Schwierigkeiten, ein gutes Team zu finden. Das Everoad-Team ist wirklich Weltklasse und das hat dann alles super gepasst. Und damit relativ schnell ein Büro mit 100 Leuten in Frankreich dazuzuholen, das war ganz spannend für uns.

Habt ihr also mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen und vor allem diese existierenden Beziehungen zu Speditionen, die sie wahrscheinlich schon aufgebaut haben, die man von Hand mühselig aufbauen müsste, die schon existierten, das ist natürlich ein Riesenvorteil.

Absolut, da haben wir wahrscheinlich zwei, vielleicht sogar drei Jahre gespart, weil wir – wie auch in der letzten Episode schon erwähnt – diese persönliche Beziehung, die ist noch extrem wichtig, man muss dieses Vertrauen aufbauen und ich glaube, das hat Everoad in Frankreich auf jeden Fall schon geschafft. Und da wir das komplette Team übernommen haben, sind die Beziehungen mitgekommen. Und es hat uns halt so viele neuen Türen eröffnet, auch für Kunden, die wir in Deutschland bedient haben, wo wir dann wirklich von heute auf morgen auch das Frankreichgeschäft viel besser abbilden konnten und deshalb auch Cross-Selling betreiben konnten.

Von der Akquisition zur Integration

Wie hat denn so diese Akquisition geklappt, also die Integration von den neuen Mitarbeitern? Ihr wart zu dem Zeitpunkt auch nicht größer als 150 oder 200 Leute und dann ein anderes Unternehmen zu übernehmen, das schon hundert Leute hat, ist auch nicht ganz einfach? Oder wie hat das dann im Nachhinein so geklappt?

Also im Nachhinein sehr gut, aber es gab auch kritische Phasen. Am Anfang hat sich jeder gefragt: Warum ist jetzt Sennder der Große, der übernimmt und nicht andersrum? Was haben wir gemacht? Sind wir doch nicht cooler, besser, haben die bessere Plattform? Und als wir dann definiert haben, wie fügen wir die Organisation zusammen? Welche Technologien nutzen wir? und so weiter, gab es da auch so ein bisschen Spannungen, weil ihr da erstmal behauptet habt: Das, wir gemacht haben, ist deutlich besser. Und das hat ein paar Monate gedauert, bis wir verstanden haben, wie das am besten zusammenpasst.

Die Übernahme von Uber Freight hat dann sehr stark geholfen, weil da haben wir halt gemeinsam als Organisation unser großes Vorbild geschluckt. Und das hat dann dazu geführt, dass alle gesagt haben: OK, egal wer besser, cooler, smarter ist oder war, wir sind jetzt ein Team und integrieren jetzt die nächste Firma, unser Vorbild Uber Freight, und da hatten wir ganz andere Herausforderungen.

Ja, ich weiß noch, darüber haben wir auch mal gesprochen, in der ersten Episode. Jetzt noch mal zur Erinnerung: Wer da reinhören möchte, die ist noch so aktuell wie je zuvor. Also da noch mal die Gründer-Story, die Founder-Story und der harte Weg, den steinigen Weg, den ihr ganz am Anfang eingeschlagen habt, alles sehr, sehr gut dokumentiert. Aber wir hatten unter anderem auch gesprochen über den Markteintritt von Uber Freight in Deutschland, ob das eine Bedrohung sein sollte. Du hast es damals sehr sehr positiv formuliert:

„Das kann die ganze Branche nur nach vorne bringen und wenn Digitalisierung von Mitbewerbern vorangetrieben wird, das nützt uns auch.“

David Nothacker im BVL.digital-Podcast #1

Partnerschaft mit Uber Freight

Wie kam das zustande, diese Akquisition von Uber Freight? Oder vielleicht mal bisschen als Hintergrund: Uber Freight ist ganz normal in den USA noch aktiv, aber hat das Geschäft in Europa aufgegeben bzw. an euch abgegeben.

Das ist korrekt, und wir saßen gerade beim Notar, um die Everoad-Übernahme (unsere erste Akquisition) zu beurkunden. Und dann hat Uber Freight geschrieben und gefragt, ob wir nicht mal reden wollen über eine Partnerschaft / Kooperation in Europa.

Ja genau, und wir haben uns auch für paar Stunden gefragt: OK, was bedeutet das jetzt? Was wollt ihr von uns? Oder wollen wir was von denen? Aber nach dem ersten Telefonat hat sich dann herausgestellt, dass der europäische Markt doch sehr unterschiedlich ist. Die Struktur vom Markt ist anders und der Ansatz und die Technologie, das war die größere Herausforderung von Uber Freight, hat in Europa nicht so funktioniert.

Europa ist anders

Bis kurz vor Übernahme haben die alles per App gemacht in Europa. Und wenn dann ein Disponent den Auftrag aufnehmen muss und nicht der Fahrer, dann braucht man eine andere Lösung. In Amerika gibt es viele von diesen Owner-Operator-Unternehmer, die den eigenen LKW fahren. Die entscheiden dann, welchen nächsten Auftrag sie nehmen übers Handy.

Aber ein Disponent braucht eine Desktop-Version und das hat dann dazu geführt, dass Uber Freight verstanden hat, dass man für den europäischen Markt einen bisschen anderen Ansatz braucht und sie haben dann gesehen, dass wir gut unterwegs waren und haben dann gedacht: Okay, dann am besten mit dem Größten im Markt zusammenzukommen. Und wir haben auch eine Partnerschaft jetzt – eine strategische Partnerschaft, die wir jetzt auch diese Woche wieder vorangetrieben haben, damit wir in Europa auch Kunden bedienen können, die in Nordamerika unterwegs sind und andersrum und gemeinsame Technologien entwickeln, API-Schnittstellen und dafür Standards und noch viele andere Sachen. Also war das dann für beide Seiten die beste Option, das Geschäft zusammenzulegen (in Europa) und dann die Kooperation zu starten.

Ja, von dem ersten Anruf oder von der ersten Kontaktaufnahme, als sie beim Notar saßen, mit Everoad, bis zur tatsächlichen Übernahme, wie lange hat das dann gedauert?

Die Everoad-Transaktion hat deutlich länger gedauert, das waren 6 Monate.
Und Uber Freight hat zweieinhalb bis drei Monate gedauert. Da hat man schon gemerkt, dass die Kollegen von Uber Freight schon mehrere Transaktionen gemacht haben bzw. die Kollegen von Uber, die das Ganze betreut haben. Wir hatten auch schon ein paar Erfahrungswerte, die wir nutzen konnten, deshalb war die zweite Transaktion dann auch deutlich schneller. Aber muss auch sagen, es frisst schon viele Ressourcen und Management-Attention, so was zu machen.

Unsere Investoren, unser Board, hat auch irgendwann gesagt: Jungs, alles gut und schön! Aber ihr müsst auch gucken, dass euer Kerngeschäft sich weiterentwickelt. Und wir hatten ja auch noch das Joint Venture mit Poste Italiane, darüber können wir vielleicht auch noch gleich reden. Die lief auch noch parallel und das war auch nicht ganz so einfach. Und deshalb haben wir gesagt: Okay, wenn wir die Transaktion jetzt machen, dann machen wir die in zwei Monaten von Anfang bis Ende. Hat dann ein paar Wochen länger gedauert, aber wir waren doch sehr schnell unterwegs.

Das war auch alles während dieser Corona-Zeit. Das war halt also mitten während der Lockdowns und während der wirklich heißen Phase, wenn ich mich richtig erinnere.

Everoad haben wir im Mai unterschrieben, Uber Freight im September.
Deshalb war das genau in den zwei Lockdown-Fenstern und es hat wirklich geholfen, speziell diese persönliche Verbindung aufzubauen. Man muss auch ab und zu mal ein Bier oder ein Glas Wein gemeinsam trinken, um halt wirklich zu connecten und das geht über Zoom oder Video-Calls nur bedingt. Deshalb hoffen wir, dass wir bald die ganzen Kollegen dann auch wirklich persönlich kennenlernen können.

Unternehmenskultur bei Sennder

Ich weiß, darüber haben wir auch gesprochen in der ersten Episode. Diese Kultur bei euch. Ich habe es ja auch selber vor Ort gesehen, mit euren Kickern und mit dem DJ-Pult und mit euren Ausflügen (gemeinsame Ski-Trips). Das ist erstmal alles flachgefallen, dieses Jahr, war gar nichts in der Richtung?

Leider gar nichts! Aber 2021 haben wir schon große Pläne. Ich kann jetzt nicht zuviel verraten, weil wir es intern noch kommuniziert haben. Aber wir planen wieder coole Events, um Leute zusammenzubringen, aus unterschiedlichen Büros, aus unterschiedlichen Teams. Das ist ganz wichtig und es kann man am besten machen, wenn man 1-2 gute Events organisiert, wo dann jeder dazukommen kann. Und das planen wir auch für 2021.

Übernahme traditioneller Speditionen

Nochmal, bevor wir abschließen, Thema Akquisition: Sind noch weitere geplant? Was ist als nächstes auf der Uhr? Woran orientiert ihr euch?

Also wir haben bisher immer digitale Unternehmen gekauft, ich glaube, das werden wir jetzt nicht weitermachen, wir gucken uns aber gerade traditionelle Spedition an, die komplett Asset light sind. Also ohne LKW, die 20 bis 80 Mitarbeiter haben, die zu klein für Private Equity sind, zu groß für den Nachbarn, wenn ein Eigentümer aussteigen möchte.

Es ist für uns sehr spannend, weil wir halt gesehen haben, dass wir zwei Jahre brauchen, um gewisses Netzwerk in einem neuen Land oder einer neuen Region aufzubauen. Und wenn man ein Kleinunternehmen hat, die schon seit 15-20 Jahren tätig sind, die haben diese Connections, diese Verbindung, dieses Netzwerk.

Die sind dann meistens ohne große digitale Lösung unterwegs. Und dann kann man halt das Netzwerk mit unserer Plattform kombinieren. Und das gucken wir uns jetzt für 2021 an, und das steht auf jeden Fall auf unserem Plan.

Eine Größenordnung: Wie viele von solchen kann man sich einverleiben innerhalb eines Jahres? Was kann man sich zumuten?

Wir müssen uns erstmal mal testen, in diesem Jahr wahrscheinlich 1,2,3, mal gucken, wie groß die sind und wo. Das wird dann eine komplette neue Herausforderung bei der Integration, weil bei Everoad / Uber Freight hatten wir, glaube ich, ein Durchschnittsalter der Mitarbeiter, die wir übernommen haben, das war irgendwie um die 30, 31, 32. Und bei diesen Speditionen, die eher traditionell angehaucht sind, ist das Durchschnittsalter ein bisschen höher. Und das bedeutet dann auch andere Herausforderungen, die Kulturen zusammenzubringen, Technologie einzuführen. Da müssen wir noch mal gucken, wie schnell wir das hinbekommen, dass wir das in 2022 und 2023 dann hochfahren und eine oder mehrere Übernahmen durchführen.

Stimmt, könnte ein ganz schöner Kulturschock sein, schon die ganze Zeit eine andere Art und Weise zu arbeiten. Wahrscheinlich nur durch solche Buden zu integrieren, Buden ist vielleicht falscher Ausdruck, aber solche Unternehmen zu integrieren nicht ganz einfach. Hast du dann inzwischen so ein Team zusammengestellt, die sich darum kümmern? Die sich 100 Prozent um solche Integration kümmern werden?

Kulturelle Integration

Ja, das haben wir! Eigentlich zwei Teams, weil wir Strategy Growth (wie eine interne Beratung) ehemalige Berater meistens, die die ganze
Analyse vorbereiten, Due Diligence und dann auch bei der Post-Merger-Integration eher die strukturelle Seite übernehmen: Wie finden wir die Teams zusammen? Was sind die Prozesse? Neue Reporting-Clients, Titel.
Und ein zweites Team, das ist unser Culture-Team. Das ist ein Team, des kümmert sich nur darum, die neuen Mitarbeiter zu integrieren.

Ja, und die machen so Sachen wie die Onboarding-Akademie. Das lief bei Everoad und Uber Freight über drei Tage so ein Programm, wo wir mehrere Vorlesungen hatten – Präsentationen, wo wir erklärt haben, woher wir kommen, unsere Story, unsere Plattform, da konnte jeder damit mal rumspielen. Fragen stellen. Dann haben wir das Ganze auch reverse gemacht. Wir hatten dann die Reverse Akademie. Dann haben sich die anderen Teams vorgestellt, wie die Sachen machen und so weiter und tausend andere Sachen. Und so hatten wir ein dediziertes Team für die kulturelle Integration und ein zweites Team, das sich um den Rest kümmert. Desourcing, und dann auch Umsetzung, aber das ganze Kulturelle ist dann woanders aufgehängt.

Geplantes Wachtum

Und diese 160 Millionen Dollar, die eingenommen habt, jetzt, über die neue Finanzierungsrunde, die werden natürlich nicht nur in Investitionen für Akquisitionen genutzt, sondern auch Investitionen in die Plattform. Lass uns ein bisschen über die Plattform selber sprechen, wie sich die Technologie auf der Plattform, wie sich die inzwischen weiterentwickelt hat, seit wir das letzte Mal im September 2019 gesprochen haben.

Deutlich weiter. Wir hatten im September 25-30 Leute, die in unserem Tech-Team waren – Entwickler, Product Manager, Data Scientists. Heute haben wir 150, massiv skaliert, und das spielen wir jetzt auch.
Unser Tech war immer 2-3 Schritte hinter dem, was die Organisation gebraucht, hat immer versucht aufzuholen und jetzt zum ersten Mal investieren wir wirklich in die Zukunft. Und die 160 Millionen, die wir jetzt eingesammelt haben, knapp 100 Millionen davon, über 100 Millionen werden genau investiert, um dieses Team weiter auszubauen.

Vorsprung durch Technik

Wenn wir darüber nachdenken: Wo wollen wir in 2-3 Jahren stehen im Vergleich zu Kühne+Nagel, DB Schenker, dann muss ich ganz klar deutlich sagen, dass wir auf der Tech-Seite noch weitergekommen sind und nur so können wir langfristigen Competitive Advantage aufbauen. Und deshalb werden wir weiterhin in unser Tech-Team investieren. Und das erlaubt uns auch, uns von unseren Konkurrenten (Digitalkonkurrenten) abzusetzen, weil die haben nicht so große Tech Teams, die können nicht so viel investieren. Deshalb glauben wir, ist es das Beste, einen Großteil der Ressourcen in Tech-Entwicklung zu stecken. Geographische Expansion, man muss das Ganze ja auch umsetzen, testen, gucken, ob das Ganze funktioniert, werden wir auch vorantreiben. Aber größere Ressourcen werden weiterhin in Tech gehen.

Ist das Tech-Team nach wie vor komplett in Berlin da?

Wir haben jetzt ein dezentrales Tech-Team. Unsere Entwickler arbeiten gerne von zu Hause und teilweise auch remote first.

Wir haben in Frankreich ein Super-Tech-Team übernommen. Wir haben in Polen auch ein Büro, dort haben wir auch ein paar Entwickler. Deshalb ist es dezentral aufgesetzt. Auch in Amsterdam haben wir jetzt eher Produktmanager und Programm Manager, die sich auch um die Entwicklung kümmern sollen, ist es dezentral nicht mehr in Berlin und schon europaweit jetzt aufgestellt.

Fast 800 Mitarbeiter

Lass uns noch ein bisschen über diese growing pains noch mal tiefer einsteigen, also das Wachstum zu managen. 150-160 Leute müsst ihr gewesen sein, als wir das letzte Mal gesprochen haben (im Dezember 2019). Inzwischen seid ihr bei 800, habe ich gehört?

Knapp 800. Sieben Standorte. Als wir uns das erste Mal gesehen haben, hatten wir unser erstes Büro in Italien geöffnet bzw. unser zweites Büro außerhalb von Berlin. Und jetzt haben wir sieben Büros und fast 800 Mitarbeiter. Sehr viele.

Wie viele würdet ihr am Ende diesen Jahres sein, am Ende des Jahres 2021, wenn wir uns wieder sprechen? Wie viele Leute haben wir dann?

Wahrscheinlich werden es noch mehr sein, als wir gerade planen. Wir sollten in jedem Fall auf über 1000 Mitarbeiter kommen.

Digitalisierung im Straßengüterverkehr

Sehr schön, du bist eben schon mal ganz kurz auf die Konkurrenz-Situation eingegangen, hast etwas zu DB Schenker und Kühne+Nagel genannt. Sind die inzwischen aus deiner Sicht weitergekommen?

Haben die endlich begriffen, dass sie in den Bereichen mehr investieren müssen? Haben die ähnliche Ansätze, haben auch digitale Ansätze, digitale Arme ihrer Lösung parat? Habt ihr da ein Auge drauf und wie schätzt du ein, wie weit die inzwischen gekommen sind?

Dass die Großen Digitalisierung als Priorität sehen, sehe ich schon noch lange so. Schon seit vielen Jahren (5-6 Jahre). Die haben wahrscheinlich schon begonnen, bevor wir die Idee hatten. Ich glaube, es scheitert ein bisschen an der Umsetzung. Es ist verdammt schwierig für einen großen Konzern wie DB Schenker und Kühne+Nagel, neue Prozesse digital abzubilden und es schnell nicht nur zu entwickeln, sondern auch umzusetzen.

Wir spüren jetzt schon: Mit 700 Mitarbeitern können wir auch nicht mehr ganz so schnell neue Features releasen. Da müssen wirklich gucken, testen, ob es passt, erklären, wie sie funktionieren, dann können wir die releasen.

Wenn man mehrere 1000 Mitarbeiter hat, dann ist es deutlich schwieriger. Deshalb glaube ich schon, dass die Großen weiter dran arbeiten, aber ich glaube halt mit einer komplett anderen Geschwindigkeit. Und ich muss gestehen, dass ich jetzt 2020 nicht gespürt habe, dass irgendwie was ganz komplett Neues entwickelt wurde oder auf den Markt gekommen ist. Deshalb glaube ich schon, dass sie weiterhin dran arbeiten, aber wahrscheinlich nicht ganz so schnell wie wir.

Der Markt für digitale Transporte

Die Aussage gilt immer noch, dass der Markt so groß ist, dass im Prinzip diese Konkurrenz-Situation gar nicht zum Tragen kommt. Der Markt ist so groß und so zersplittert, dass es nicht wirklich ins Gewicht fällt. Also ihr könntet ohne große Probleme dramatisch wachsen, ohne jemandem groß auf die Füße zu treten. Der Markt ist groß genug.

Wie groß ist der Markt? Und noch mal zur Erinnerung: der Markt für Road Transport in Europa?
350 Milliarden, das ist riesengroß, davon sind 130 Milliarden allein Komplettladung oder Full Truck Load. Und die großen fünf, DB Schenker, DSV und so, die haben gemeinsam ungefähr 6% Marktanteil von den 350 Milliarden. Und deshalb gibt’s genügend Platz. Auch wenn alle 4-5 Großen komplett alles digitalisieren, haben wir trotzdem noch einen Riesenmarkt.

Der Kuchen ist groß genug für alle. Aber ihr habt jetzt schon das Ziel, unter die Top Ten der größten Speditionen in Europa zu kommen?

Absolut, bis 2025 mit zwei Milliarden Umsatz im Full-Truck-Load-Bereich. Man muss auch gucken: Logistik, wie schneidet man das? Aber im FTL-Bereich wollen wir auf zwei Milliarden kommen, sollten wir schon unter den größten 3-4 sein.

Marktführer in Italien

In Italien sind wir schon die größten, wenn man sich den italienischen nationalen Markt anguckt, wir haben dort das Joint Venture mit der italienischen Post, die uns über 100 Millionen an Volumen übergeben haben und die managen wir jetzt komplett für die italienische Post. Da haben wir die ganzen Pakete und fast alle Briefe in Italien über Weihnachten und jetzt auch in Italien transportiert auf der langen Distanz, also von Hub zu Hub, und das hat uns ermöglicht, sehr schnell groß zu werden. Und da sind wir auch komplett profitabel auf EBIT-Basis, weil wir unterschätzt haben, wie schnell wir optimieren könnenm indem wir Transporte besser kombinieren, um die durchschnittliche Auslastung zu erhöhen und zweitens, wie stark wir unsere Technologie pushen können.

Tech Adoption ist in Italien deutlich weiter als in anderen Märkten. In Italien schreiben uns die Carrier an und fragen: Was muss ich machen, damit ich mit euch arbeiten kann? Wir sind halt die größten. In Deutschland müssen wir erstmal die Frachtführer bitten, den Auftrag anzunehmen. Dann sagen wir: Wenn Ihr das Geld jetzt innerhalb von drei Tagen haben wollt, dann müsst ihr die Frachtpapiere hochladen. Wenn ihr regelmäßig mit uns arbeiten wollt, müsst ihr weiter unseren digitalen Prozessen folgen.

In Italien ist es halt komplett anders, und deshalb können wir da viel besser optimieren und alles abwickeln und wir haben Break-Even erreicht in Italien, über ein Jahr vor Plan. Es zeigt einfach an, wie profitabel wir sein können, wenn wir eine gewisse Größe erreicht haben und wenn diese Technologie wirklich greift.

Kostensenkung

Also mal eine Aussage, dass man unterschätzt hat, wie effektiv oder wie viel Effizienzgewinn man machen kann. Und man ist schneller am Return on Investment, als man dachte. Das ist natürlich eine coole Sache!

Poste Italiane hat uns über 100 Millionen Full-Truck-Load-Business übergeben. Sie sparen 6% im Vergleich zu dem, was sie im Vorjahr (2019) ausgegeben haben. Und wir haben die 6% optimiert und noch genügend Marge rausgeholt, um unsere Kosten zu decken. Es hat uns alle überrascht, und es war auch ein Grund, weshalb Investoren dann auch sehr bullisch waren, weil sie gesehen haben, dass wir in Italien eine Case Study hatten, wo wir beweisen konnten, dass ab einer gewissen Größe Technologie genutzt wird und man eine gewisse Netzwerkgröße hat, dass man da wirklich sehr profitabel unterwegs sein kann.

Italien im Corona-Jahr

Und dann war es ja vor allem auch noch das Jahr 2020, in dem Italien extrem stark gebeutelt wurde. Die italienische Wirtschaft ist eingebrochen, auch die Transporte, Lockdowns noch und nöcher. Das war kein einfaches Jahr für Italien.

Das ist korrekt, speziell für das Team, die ja auch lange zu Hause bleiben mussten, bevor es hier Lockdown in Deutschland überhaupt gab. Das war schon fürs Team nicht einfach, weil wir auch angefangen haben, gerade als Coronavirus losging. Wirklich nicht einfach! Zum Glück hatten wir ein sehr starkes Team, welches dann von Berlin im Januar (oder teilweise schon Oktober / November) nach Italien gezogen ist und deshalb kannten sie Sennder, unsere Prozesse. Mein Bruder hat das ganze Geschäfte geleitet, auch das ganze operative Geschäft. Er ist mit dem Team nach Italien gezogen, das hat natürlich geholfen.

War aber nicht einfach, auch neue Leute dazu zu holen. Wir mussten auch schnell wachsen, da wir mittlerweile auch 80 Leute in Mailand sitzen haben. Das alles unter Lockdown zu machen war nicht einfach. Aber wir haben auch in Italien über die Beziehung von Poste Italiane dann auch die ganze Distribution von Masken und anderen Covid-19-Mitteln in Italien durchgeführt. Alle Masken in Italien wurden von Sennder Italia transportiert und das hat das Team auch stark motiviert.

Wir haben eine Special Task Force aufgesetzt, da haben sich viele in der Lage gefühlt, uns zu unterstützen, zu helfen und es war sehr schön zu sehen, was für eine positive Energie das dann generiert hat, obwohl die Situation sehr schwierig war.

Geplante Umsatzsteigerungen

Das glaube ich! Du hast gerade erwähnt, das Volumen in Italien ist ungefähr 100 Millionen, pi mal Daumen. Hinzu kommt in Europa oder Deutschland nochmal 200-300 Millionen so pi mal Daumen, kann ich das so richtig schätzen? Oder sagen wir mal, sind wir zusammen bei 300-400 Millionen Umsatz?

Italien ist unser größter Markt, aber außerhalb von Italien sind wir deutlich größer.

Aber ihr seid unter einer halben Milliarde?

Ja!

Okay, also dann bist du ein bisschen entfernt. Ich glaube, als wir das letzte Mal darüber sprachen, da hattest du ausgelobt eine Milliarde Umsatz war das Ziel. Inzwischen angepasst auf zwei.

Ja, also damals war es eine Milliarde bis 2024. Jetzt haben wir eine Milliarde bis 2023. Wir können ein bisschen aggressiver jetzt wachsen und dann zwei Milliarden 2025. Also haben wir die eine Milliarde und mehr um ein Jahr vorgezogen.

Höhepunkte des Jahres

Na bisschen schon zu dir persönlich. Was war es denn für dich für ein Jahr? Ich meine, das muss auch ein Gefühl so up und down und viele Highs dabei gewesen, aber auch viele Lows. Reporte noch ein bisschen so aus deinem aus deinem Seelenleben, was es für ja für dich war?
Da musst du mich noch mal im nächsten Jahr fragen, weil ich bin gerade noch mittendrin und habe wahrscheinlich nicht alles ganz verdaut, auch die Finanzierungsrunde nicht. Man geht halt von einem Projekt zum nächsten, von einem High zum nächsten. Und da hat man, nimmt man sich wahrscheinlich auch nicht wirklich die Zeit, um das Ganze zu verdauen, dass wir jetzt knapp 800 Mitarbeiter haben, das ist …
Wahrscheinlich verstehe ich noch gar nicht, was das wirklich bedeutet. Du kannst mich gerne noch mal dazu fragen.

Die Erwartungen werden größer, die Fallhöhe wird größer, alles ist jetzt eine andere Liga.

Also diese Tatsache, oder wir haben einfach mal drüber gesprochen, über diesen Unicorn-Status ist das etwas, worauf ihr intern darauf zu arbeitet. Ist das etwas, was irgendwie so ausgelobt wird? Wurdest du schon fotografiert mit so einem aufblasbaren Unicorn?

Zum Glück nicht, die Büros sind eher geschlossen. vielleicht legt es daran, …
Für unsere Mitarbeiter ist es schon ein ganz wichtiges Ziel. Wir haben Mitarbeiter, die partizipieren an der Unternehmensbewertung, am Upside. Für die ist das super, super wichtig und auch als Status, wenn man als Arbeitgeber vorweisen kann, dass man so weit gekommen ist, dann hilft es, Leute zu halten und neue Leute dazu zu holen. Deshalb glaube ich, dass es für das Team deutlich wichtiger ist als für mich und meine Mitgründer.

Die Beharrungskräfte der Branche

Ja, man kann sagen: Es läuft bei euch, obwohl ich – ich rufe das gerade mal auf, ich habe im Januar einen Artikel im Handelsblatt gelesen, wo wortwörtlich drinsteht:

Trucker arbeiten lieber analog. Digitalspeditionen haben es schwer. Newcomer wie Sennder, Forto und Cargonexx wollen die Transportbranche umkrempeln. Doch die Revolution scheitert an den Beharrungskräften der Branche.

Handelsblatt: Trucker arbeiten lieber analog: Digitalspeditionen haben es schwer

Die Beharrungskräfte kennen wir, aber Scheitern ist vielleicht ein bisschen übertrieben, oder?

Es ist die größte Herausforderung, die wir haben, Leute dazu zu bringen, unsere Technologie zu nutzen. API-Anwendungen auf der Kundenseite oder Selfbooking. Und auf der anderen, auf der Carrier-Seite, dass sie unsere Plattform regelmäßig nutzen ist, das ist die Riesen-Herausforderung.
Ob wir jetzt scheitern, I don’t know! Kommt drauf an, wie man Scheitern definiert. Wir sind sehr stark gewachsen im letzten Jahr und haben unsere digitalen Transporte, also Transporte, die komplett digital durchgeführt wurden, verzehnfacht. Und deshalb haben wir da jetzt auch schon besser verstanden, wie wir das Thema Tech Adoption stärker und schneller vorantreiben können.

Neue Kunden

Inzwischen sind auch genug Use-Cases da oder genug Beispiele dafür, wie eine Spedition, die mit kleinen LKWs unterwegs ist, dort auch einen finanziellen Vorteil davon haben kann, wenn sie Teil eurer Plattform werden.

Absolut! Und wir können wahrscheinlich auch besser erklären, wenn wir sagen: Ihr könnt Rechnungen, die an Dritte gehen (an unsere Konkurrenten) bei uns hochladen und kriegt dann das Geld auch innerhalb von drei Tagen. Und das sind dann schon gute Argumente, um die Frachtführer auf die Plattform zu holen.

Auf der anderen Seite, auf der Kundenseite, auf der Siemens-Lada-Seite sind halt die Beispiele wie Poste Italiana super hilfreich, weil wir jetzt zeigen können, dass wir auch für ein großes Logistikunternehmen es geschafft haben, viel zu optimieren und zu machen und da versteht man dann erst, wenn man die Zahlen dann offenlegen, und Poste Italiane erlaubt uns das zum Glück, wird dann klar, wie viel man einsparen kann. Und wenn man mit Disponenten redet, die sagen, ich mach es jetzt seit 20-30 Jahren, da kann man nicht viel optimieren. Es geht einfach nicht!

Wir haben auch bei Poste, als wir das am Anfang gepitcht haben, auch viel Gegenwind bekommen, aber wenn man dann zeigen kann: Guck mal in Italien, das waren die Kosten. Wir haben soundso viel Prozent abgezogen und das ist die Marge, die bei uns hängen bleibt, weil wir das Netzwerk erweitert haben, weil wir die Prozesse digitalisiert haben, weil wir besser optimieren, weil wir ja sozusagen über Services wie Tankkarten einerseits unseren Carriern helfen, kostengünstiger zu fahren und andererseits noch ein bisschen Marge zu generieren. Wenn wir wirklich zeigen können, dass es in Italien geklappt hat, dann ist es einfacher, dieses Konzept noch mal zu verkaufen.

Siemens ist ein großer Kunde, den ihr in diesem Jahr oder im Jahr 2020 dazugewonnen habt. Gibt’s noch weitere große, die man nennen kann.
Siemens ist unsere Kunde, aber auch Investor, Scania ist auch Kunde und Investor, aber die anderen – da bekomme ich immer ganz böse E-Mails, wenn ich aus Versehen unsere Kunden nenne.

Lieber mal so gefragt: Was gibt’s denn für große Unternehmen in Deutschland, die sich diese Lösung anschauen sollen, die so klassische Kan-didaten werden, als nächstes nach Siemens bei euch anzuklingeln?

Ich glaube, in der Automobilindustrie gibt es einige, die sich das mal näher anschauen sollten. Ich glaube, in der Automobilindustrie werden wir das auch sehen, weil die Automobilindustrie wahrscheinlich schon alle Kostenpunkte optimiert hat. Logistik ist noch nicht so optimiert worden, wie man das machen könnte. Im Bereich Beverages, also Getränke, gibt auch noch die eine oder andere Firma, die Optimierungspotential hat.

Globale Expansion

Und wenn du dir mal so die Auslandsmärkte anguckst: Was glaubst Du, wo ist im kommenden Jahr für euch das größte Wachstum zu erwarten?

In Osteuropa, speziell in unseren Büros in Breslau (in Polen) und in Riga.

Und jetzt mal ganz groß, international gesehen, global gesehen, wann ist der große Sprung geplant über den Teich oder ist das noch ganz, ganz weit in der Ferne? Oder ist er gar nicht auf der Uhr?

Gar nicht geplant. Warum? Weil wir gesehen haben, im Bereich Road Freight die Technologie für einen Kontinent eigentlich entwickelt wird und das hat Uber Freight gezeigt.

Ich glaube, wir werden im Road-Freight-Bereich kontinentale Champions sehen. 1-2-3 Startups in jedem Kontinent: Uber Freight, Convoy, Transfix in Amerika, Sennder in Europa, in Indien gibt’s Blackbuck, in China gibt’s Fu Truck Alliance, die haben auch eine Milliardenrunde vor kurzem angekündigt.

Im See- und im Luftfahrtbereich ist ein bisschen anders. Du gehst davon aus, dass wir globale Champions sehen werden. Wenn man einen Container von China nach Europa verschiffen muss, dann ist die Komplexität ähnlich, als wenn der Container nach Amerika geht. Und da sehen wir auch, dass Unternehmen wie Forto (ehemals FreightHub) oder Flexport auch global tätig sind.

Die anderen Road-Freight-Player, die ich genannt habe, die sind meistens nur kontinental unterwegs. Und deshalb glaube ich, dass wir weiterhin uns auf den europäischen Markt konzentrieren werden – sehr stark im Fokus auf Komplettladungen / Full-Truck-Load halten werden, weil, wie vorhin schon erwähnt, ist der Markt einfach so groß. Wir können noch so viel erreichen und müssen nicht irgendwo anders hin.

Hervorragend, das ist ein tolles Schlusswort! David, vielen, vielen Dank für das tolle Gespräch heute. Ich habe dich erwischt am Tag nach der großen Bekanntgabe. Ja toll, tolles Timing! Sehr gut!

Nächstes Interview

Wahrscheinlich sprechen uns in einem Jahr noch mal wieder, angucken, wie deine großen Pläne in Erfüllung gegangen sind. Wie ihr den Haufen Geld ausgegeben habt, wie weit ihr gekommen seid.

Ich wünsche euch auf jeden Fall viel viel Erfolg. Wir haben ein Auge auf euch, ihr seid eines der wenigen deutschen Unicorns! Wie viele gibt es? 13-14 habe ich gehört!

Habe ich auch gelesen!

Und irgendwie gar keine im Bereich Logistik, oder keine nennenswerten.

Ja David, wünsche noch einen ganz ganz ganz ganz erfolgreiches Jahr 2021. Grüß das Team! Und hoffentlich sehen uns irgendwann mal dann live in Person vor Ort im Sennder-Büro.

So, das war der BVL.digital-Podcast mit David Nothacker von Sennder – ein absoluter Klassiker, wie ich finde. Ich hoffe euch hat es auch gefallen! Und denkt daran, den BVL.digital-Podcast zu abonnieren, damit ihr keine der kommenden Folge verpasst! In diesem Sinne bis zum nächsten Mal, euer Boris Felgendreher.