Beitragsbild: Die neue Normalität - globale Lieferketten auf dem Prüfstand?


Die „neue“ Normalität – globale Lieferketten auf dem Prüfstand?

Ein Gastbeitrag von Janis Bargsten, General Manager, Flexport

Auch wenn die Wirtschaftstätigkeit in vielen Branchen nahezu stillzustehen scheint, läuft das Geschäft vieler Logistikdienstleister weiter. Allerdings fordert die COVID-19-Pandemie die globalen Lieferketten heraus wie nichts zuvor: Eingeschränkte Handelsströme und stark verringerte Kapazitäten bei Ocean- und Airfreight Carriern treffen auf eine hohe Nachfrage nach unverzichtbaren Gütern aus dem Medizin- und Lebensmittelbereich. Gleichzeitig quellen Lager durch die ausbleibende Nachfrage bei Konsumgütern über und in den Häfen stauen sich die Container. Die komplexe Gemengelage zeigt, wie hoch die Störanfälligkeit der globalen Lieferketten trotz Wiederanlaufen der Produktion in China weiterhin ist. Die in dieser Form bisher so noch nie dagewesene Brisanz auf allen Ebenen prägt die gegenwärtige Diskussion. Nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt fangen Regierungen, Beratungen und Unternehmen an, über Verschiebungen der gegenwärtigen Supply-Chain-Strategien zu diskutieren, um das Risiko im internationalen Transportgeschäft größtmöglich zu reduzieren. Dass Wirtschaftsmodelle in Krisenzeiten in Frage gestellt werden, ist nichts Neues. Daher ist es keine Überraschung, dass dies jetzt auch die Logistik trifft. Die Lösung liegt dabei aber nicht in einer kostspieligen Abkehr von globalen Lieferketten, wie vielfach gefordert wird, sondern eher in der digitalen Transformation: Diese kann Logistikentscheidern, die ihre Lieferketten nicht nur angesichts der aktuellen Herausforderungen, sondern auch darüber hinaus für die Zukunft optimieren möchten, neue Handlungsoptionen geben.

Ausblick für die deutsche Transportbranche

Im Moment sieht der Ausblick im deutschen Transportgeschäft alles andere als rosig aus. Für die Seefracht erwarten Experten beispielsweise im Vergleich zum Beginn des Jahres einen leichten Rückgang um fünf bis zehn Prozent. Carrier werden in nächster Zeit keine neuen Schiffe bestellen und auch ihre Routings und Loops kritisch überprüfen. Dadurch könnten gegebenenfalls auch POL/PODs wegfallen. Ein weiterhin niedriger Ölpreis wird sich voraussichtlich auf Zuschläge und Bunker-Klauseln auswirken. Auch die Logistikinfrastruktur in den einzelnen Ländern könnte in Zukunft die Preise beeinflussen. Reedereien wird in dieser Situation nichts anderes übrigbleiben, als ihre Kapazität mit den bekannten Instrumenten Blank Sailings und der Konsolidierung der Loops an den aktuellen Bedarf anzupassen. Die Entwicklung der Seefracht-Raten wird langfristig zu einem großen Teil unter anderem davon abhängen, wie Reedereien mit Angebot und Nachfrage umgehen. Das Transportgeschäft verändert sich auch in der Luftfracht, die in den kommenden Monaten durch verringerte Kapazitäten in den verschiedenen Märkten geprägt sein wird. Unternehmen müssen sich hier vermutlich auf längere Transitzeiten einstellen, da es Jahre dauern wird, bis das Niveau von 2019 wieder erreicht werden wird. Durch die kaum vorhersehbare Nachfrageentwicklung lassen sich die langfristigen Auswirkungen auf die Luftfrachtraten aktuell nur schwer einschätzen. Auch im intermodalen Transportgeschäft zeichnen sich schon jetzt deutliche Veränderungen ab: Durch die nachfragebedingte Verringerung der Binnenschiffs- und Bahnkapazitäten wird es zukünftig voraussichtlich weniger Auswahlmöglichkeiten geben. Denkbar sind zudem temporäre Zuschläge zur Deckung von Verlusten.

Droht ein Preiskampf?

Darüber hinaus werden weitere Kostentreiber den Puls lokaler Supply-Chain-Manager in die Höhe treiben. So sind durch die Veränderung des Ölpreises sowie durch die Versuche der Carrier, ihre Überkapazitäten bei Lastkähnen, Zügen oder Lastwagen zu füllen, schon in naher Zukunft Preiskämpfe zu erwarten. Zusätzlich wird die Industrie zunehmenden Druck auf die gesamte Transportbranche ausüben, um ihre Kostenbilanzen zu optimieren. Schon jetzt stapeln sich auch in vielen Häfen die Container: Da die Nachfrage fehlt und viele Shipper ihre Bestandswaren nicht absetzen können, fehlen freie Lagerkapazitäten und Container hängen in Häfen und Terminals. Erwartet wird zudem ein Anstieg von Carrier-Haulage-Services – Spediteure werden über das Verlagern von Volumen auf diesen Service versuchen, eine bessere Kontrolle über ihre Equipment-Flows zu erhalten, z. B. über höhere Abhol-/Abstellgebühren. Dies führt sehr wahrscheinlich zu weiteren Herausforderungen. Das Wachstum des generellen Exportvolumens wird maßgeblich durch die Entwicklung in wichtigen Schlüsselbranchen wie der Automobil- und Chemieindustrie beeinflusst werden. Alle genannten Faktoren werden in den nächsten Wochen und vermutlich auch darüber hinaus die Logistikentscheider herausfordern.

Lieferketten müssen nicht regionaler werden, sondern widerstandsfähiger

Dass die Frage zur Nachhaltigkeit globaler Lieferketten aktuell so vehement gestellt wird, überrascht nicht. Über die aktuelle Situation lässt sich dabei leicht vergessen, dass Herausforderungen kein wirklich neues Phänomen in der Logistik sind. Schon immer wurden Handelsströme sowohl durch unvorhersehbare Naturkatastrophen, von Stürmen über Fluten und Erdbeben bis hin zu Hurrikans, genauso beeinflusst wie durch von Menschen verursachte Umstände wie Zölle oder Handelsabkommen. Letztere rückten bereits in jüngster Vergangenheit die Diversifizierungsfrage in den Mittelpunkt der Diskussion und lösten damit, um Kostensteigerungen entgegen zu treten, erste Verlagerungen der Supply Chains von China in andere Regionen. Trotzdem bleibt eine Tatsache bestehen: Auch regional beschränkte Versorgungsmodelle erzeugen Abhängigkeiten und können Störungen unterliegen. Selbst in kürzeren Lieferketten, die sich nur auf das Inland oder eine Region beschränken, können Lieferengpässe durch die Unterbrechung von Straßen- und Schienentransporten oder durch die Schließung von Häfen jederzeit auftreten. Und ist es wirklich realistisch, mit unseren modernen, hochspezialisierten Supply Chains, die es überhaupt erst ermöglichten, eine große Auswahl an Produkten zu relativ niedrigen Preisen anzubieten, wieder zurück auf den Anfang zu gehen? Keine Frage: COVID-19 stellt die Resilienz der Supply Chains überall auf der Welt auf eine sehr harte Probe. Aber um diese Widerstandskraft zu stärken, ist eine Reduzierung der Diversifizierung der Lieferkette wahrscheinlich nicht die richtige Antwort. Eine globalisierte Welt wird sich auch in Nach-Corona-Zeiten nicht mehr zum Dorf wandeln. Auch in Zukunft werden in der Logistik nicht alle Risiken restlos vorhersehbar und beherrschbar sein. Waren werden auch weiterhin aus unterschiedlichen Ländern bezogen oder dort hergestellt. Selbst wenn die aktuelle Corona-Gefühlslage etwas anderes suggerieren möchte.

Echtzeit-Transparenz als Chance für Innovation

Handlungsalternativen existieren bereits. So erlebt Deutschland gerade in vielen Branchen den dringend notwendigen digitalen Schub – und auch in der Transportbranche wird daran kein Weg vorbeiführen. Die technologisch schon heute mögliche neue Transparenz beim Austausch von Informationen in Echtzeit entwickelt sich momentan zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Innovative Akteure, die sich dem Wandel am besten anpassen können, werden diese neuen Möglichkeiten für die agile Neuausrichtung ihrer Strategien für sich zu nutzen wissen. In nicht allzu ferner Zeit wird die Digitalisierung zum effektiven Dreh- und Angelpunkt werden, so wie es sich auch in anderen Branchen zeigt. Aus Flexport Sicht werden Logistikmanager in Zukunft eine noch strategisch wichtigere Rolle für den Unternehmenserfolg einnehmen. Durch den Echtzeit-Einblick in die einzelnen Lieferketten-Schritte können sie genau erkennen, wo Investments und Kapital jeweils gebunden sind. In einer digitalisierten Supply Chain lassen sich Daten so effizient nutzen, dass redundante Prozesse minimiert werden. Sie können gebündelt, jederzeit unkompliziert abgerufen werden und sind überall zugänglich sowie von allen Beteiligten aktualisierbar. Die formal komplexen Prozesse bleiben auf diese Weise nicht mehr in der für das Speditionswesen bisher so typischen „Black Box“ gefangen, sondern werden aufgebrochen. Stakeholder und Akteure erhalten einen Echtzeit-Einblick in ein bisher in sich geschlossenes und intransparentes System, der so noch nie möglich war.

Die Zukunft der Lieferkette liegt in der Digitalisierung

Flexport vereint genau diese Vorteile in seiner Plattform und bietet eine ganzheitliche digitale Basis für die schnelle und problemlose Abwicklung alltäglicher Speditionsprozesse. Alle Akteure der Lieferkette werden in den Kommunikationsfluss direkt integriert – vom Im- und Exporteur über die Ocean Carrier sowie die Fluggesellschaften bis hin zu Zollbehörden und Hafenterminals. Daten und Dokumente sind abgesichert im System abrufbar, rasche Anpassungen lassen sich jederzeit nachvollziehbar eingeben und sind für alle, die für die jeweiligen Informationen autorisiert sind, sichtbar. Flexport Kunden können sich unkompliziert und von überall in ihr individuelles Benutzerkonto einloggen. Sie haben Aufträge, Schnittstellen und ihren Warenversand auf diese Weise in Echtzeit im Blick. Das interaktive Dashboard unterstützt zudem bei Forecasts und auch bei komplexen Entscheidungen. Mit Flexport lassen sich darüber hinaus zudem die ökologischen Komponenten unterstützen, da Kunden einen transparenten Überblick über den CO2-Ausstoß jedes einzelnen ihrer Supply-Chain-Schritte haben. Individuelle Service-Teams, die Flexport Squads, beraten bei allen Fragen und haben Einblick in die neuesten Markt-Updates. Sie agieren agil und interaktiv – zeigen sich auf der Flexport Plattform Veränderungen, wird der Kunde unmittelbar kontaktiert und erhält Lösungsvorschläge. Zusätzlich teilt Flexport auf dem eigens für COVID-19 gegründeten Hub viele Markteinblicke mit der Öffentlichkeit. Kunden können sich hier z. B. für Live-Webinare anmelden und sich über die aktuelle Lage für die Buchung von Transportsendungen auf dem Laufenden halten.

Wird die Welt nach COVID-19 eine bessere? Zumindest eine digitalere!

Was in den kommenden Monaten auf die Welt, die Wirtschaft und uns alle zukommen wird, lässt sich aktuell noch nicht vorhersagen. Eines ist jedoch sicher: Digitalisierung macht Unternehmen handlungsfähiger. Digitale Plattformen wie die von Flexport bieten ein starkes operatives Netzwerk, das Informationen in Echtzeit verknüpft und Einblick ermöglicht, alle involvierten Akteure direkt integriert und eine durchgängige Transparenz schafft, die strategisch fundierte, agile Entscheidungen ermöglicht. Sollte es notwendig werden, lassen sich Lieferketten mit Flexport innerhalb nur weniger Stunden neu justieren. Logistikentscheidungen können sowohl im Großen als auch im Kleinen im Einklang mit der dynamischen Entwicklung im Markt getroffen werden. Auch angesichts großer Herausforderungen bleiben Flexport Kunden so jederzeit flexibel.

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