Lieferkettengesetz

Die Corona-Krise in Asien, die gestiegenen Preise für Luftfacht und Seefracht, der Stau im Suezkanal sowie der jüngste Stau auf der Seidenstraße haben gezeigt, wie verwundbar die Lieferketten sind. Produkte, die wir im Supermarkt kaufen, werden oft in Ländern hergestellt, in denen die Produktionsbedingungen nicht vergleichbar sind. Dazu zählen Kinderarbeit, Ausbeutung, Diskriminierung und fehlende Arbeitsrechte. Auch Umweltbelange sind relevant, wenn sie zu Menschenrechtsverletzungen führen (z.B. durch vergiftetes Wasser). Das derzeit im Bundestag debattierte Lieferkettengesetz soll Transparenz in der Lieferkette ermöglichen.

Die Initiative Lieferkettengesetz

„Unternehmen (müssen) Menschenrechte und ihre Umwelt achten – entlang ihrer gesamten Lieferkette, (…) nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland“ fordert die Initiative Lieferkettengesetz, ein 2019 gegründetes zivilgesellschaftliches Bündnis. Über 80 Menschenrechts-, Entwicklungs- und Umweltorganisationen, Gewerkschaften und kirchlichen Akteuren, darunter Greenpeace, Brot für die Welt, BUND, und ver.di, beteiligen sich an diesem Bündnis.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CDU) zählen ebenso zu den politischen Befürwortern des geplanten Gesetzes. Auch namhafte deutsche Unternehmen, beispielsweise Tchibo, Rittersport oder REWE, fordern den Abbau von Wettbewerbsnachteilen für diejenigen Unternehmen, die schon heute freiwillig in ein nachhaltiges Lieferkettenmanagement investieren. Das neue Lieferkettengesetz soll sich an den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, sowie an den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen orientieren.

In anderen europäischen Ländern (Niederlanden, Frankreich oder Großbritannien) gibt es bereits Gesetze gegen Kinderarbeit, moderne Sklaverei sowie für die Achtung der Menschenechte im Auslandsgeschäft. Deutschland ist nach den USA und China das drittgrößte Importland und hat somit nach Auffassung der Gesetzesbefürworter einen wichtigen Stellenwert im globalen Lieferkettennetzwerk. Bislang kümmerten sich Unternehmen „freiwillig“ um Lösungen, jedoch führten diese kaum zu Konsequenzen.

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), tritt 2023 in Kraft und gilt zunächst für Unternehmen mit Sitz oder Zweigniederlassung in Deutschland, die mindestens 3.000 Mitarbeiter beschäftigen. Ab dem 1. Januar 2024 gilt es ebenso für Unternehmen, die mindestens 1.000 Mitarbeiter beschäftigen. Es gilt weiterhin die zivilrechtliche Haftung nach deutschem und ausländischem Recht.

Mit diesem Gesetz sollen folgende Menschenrechte geschützt werden:

  1. Verbot der Kinderarbeit gemäß den Bestimmungen des Beschäftigungsortes, vor dem 15. Lebensjahr darf grundsätzlich niemand beschäftigt werden.
  2. Sklaverei und Zwangsarbeit sind in jeglicher Form verboten
  3. Sicherheitsstandards am Arbeitsplatz gemäß den Bestimmungen des Beschäftigungsortes
  4. Mindestausbildung, Einarbeitung und verbindliche Arbeitszeitregelungen
  5. Gründung von Gewerkschaften, Streikrecht und Recht auf Tarifverhandlungen
  6. Mindestlohn gemäß den Bestimmungen des Beschäftigungsortes
  7. Zugang zu Sanitäranlagen und einwandfreiem Trinkwasser
  8. Verbot der Beauftragung oder Nutzung privater oder öffentlicher Sicherheitskräfte, sofern Folter droht
  9. Vergleichbare Menschenrechtsverletzungen sind ebenfalls untersagt

Mit diesem Gesetz sollen überdies folgende Umweltverschmutzungen verhindert werden:

  1. Herstellung von Produkten mit Quecksilber,
  2. Produktion und Verwendung bestimmter Chemikalien
  3. nicht umweltgerechte Handhabung, Lagerung und Entsorgung von Abfällen sowie
  4. Aus- und Einfuhr gefährlicher Abfälle
  5. Herbeiführung einer schädlichen Bodenveränderung, Gewässer- oder Luftverunreinigung, schädlichen Lärmemission oder eines übermäßigen Wasserverbrauchs, die die natürlichen Grundlagen zum Erhalt und zur Produktion von Nahrung beeinträchtigen.

Sorgfaltspflichten gemäß Lieferkettengesetz

Hauptbestandteil des LkSG ist die Festlegung von menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten für Unternehmen.
Unternehmen müssen daher folgende Maßnahmen umsetzen:

  1. Verabschiedung einer Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte (§ 6 Abs. 2)
  2. Einrichtung eines Risikomanagement-Systems und Festlegung der betriebsinternen Zuständigkeit bzw. eines Menschenrechtsbeauftragten (§ 4)
  3. Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen (§ 5) zur Ermittlung, Bewertung und Priorisierung von möglichen und tatsächlichen Auswirkungen der Geschäfte auf Menschenrechte, Arbeitnehmerbelange und die Umwelt.
  4. Risikoanalyse: Verfahren zur Ermittlung nachteiliger Auswirkungen auf die Menschenrechte durchführen
  5. Risikomanagement (inkl. Abhilfemaßnahmen) zur Abwendung potenziell negativer Auswirkungen auf die Menschenrechte
  6. Ergreifen von Abhilfemaßnahmen bei Verstößen gegen Menschenrechte (§ 7 Absatz 1 bis 3)
  7. Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens (§ 8), um Betroffenen die Möglichkeit zu geben, Missstände zu melden und eine Wiedergutmachung zu erlangen
  8. Dokumentation und Berichterstattung
  9. Dokumentationspflichten (§ 10 Absatz 1): Einhaltung der Sorgfaltspflichten dokumentieren und regelmäßig in einem Sorgfaltsplan öffentlich darüber Bericht erstatten.
  10. Berichterstattungspflichten (§ 10 Absatz 2)

Mittelbare Zulieferer

Die Anforderungen sind außerdem nach dem Einflussvermögen der Unternehmen in der Lieferkette abgestuft.

Im Fall einer Verletzung muss es ein Unternehmen eigenen Geschäftsbereich unverzüglich Abhilfemaßnahmen ergreifen, die zwingend zur Beendigung der Verletzung führen. Zudem muss es weitere Präventionsmaßnahmen einleiten.

Überblick über eigene Beschaffungsprozesse, Strukturen und Akteure beim unmittelbaren Zulieferer, sowie wichtige Personengruppe, welche von der Geschäftstätigkeit betroffen sein können schaffen (z.B. in Form eines Risikomappings). Wenn das Unternehmen die Verletzung beim unmittelbaren Zulieferer nicht in absehbarer Zeit beenden kann, muss es einen konkreten Plan zur Minimierung und Vermeidung erstellen.

Bei mittelbaren Zulieferern (alle Zulieferer, mit denen das Unternehmen infolge seiner Vertragsbeziehungen, seiner Geschäftstätigkeit, seiner Produkte oder Dienstleistungen trotz fehlender direkter Vertragsbeziehungen verbunden ist) gelten die Sorgfaltspflichten nur anlassbezogen. Erlangt das Unternehmen Kenntnis von einem möglichen Verstoß bei einem mittelbaren Zulieferer, so hat es unverzüglich:

  • eine Risikoanalyse durchzuführen,
  • ein Konzept zur Minimierung und Vermeidung umsetzen,
  • angemessene Präventionsmaßnahmen gegenüber dem Verursacher zu verankern.

Risikoanalyse

Die Pflicht zur Risikoanalyse

Unternehmen müssen künftig ihre gesamte Lieferkette anhand benannter Risikofelder (zum Beispiel Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Umweltverschmutzung) einmal jährlich und anlassbezogen untersuchen und bewerten. Zu diesem Zweck soll das Unternehmen eine zuständige Person benennen.

Die Pflicht zu Folgemaßnahmen

Unternehmen müssen zur Risikominimierung oder -ausschaltung geeignete Maßnahmen einleiten, um die Probleme zu lösen. Der Abbruch von Geschäftsbeziehungen stellt das letzte Mittel der Wahl dar.

Die Berichterstattungspflicht

In einem jährlichen, öffentlichen Bericht sollen Unternehmen die Wahrung ihrer Sorgfaltspflichten nachweisen. Das umfasst die Darstellung der Menschenrechtsstrategie, begleitet durch Dokumentationspflichten über die beschlossenen Maßnahmen und deren Überprüfung – einschließlich der Einrichtung eines digitalen Hinweisgebersystem. Der Bericht soll das eigene Unternehmen und direkte Zulieferer berücksichtigen.

Die Ausweitung der Haftung

Es besteht prinzipiell keine Haftung entlang der gesamten Lieferkette. Lediglich bei Verdacht auf Verstöße gegen die Sorgfaltspflichten besteht eine abgestufte Haftung gegenüber mittelbaren Zulieferern. Eine viel diskutierte zivilrechtliche Haftung ist damit ausgeschlossen.

Sanktionen

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle soll für die Kontrolle und Sanktionierung zuständig sein. Dafür werden 65 Vollzeitstellen geschaffen, um Berichte zu prüfen und risikobasierte Kontrollen durchzuführen. Unternehmen, die keine Risikoanalyse durchführen, sollen bis zu 5 Mio. Euro Bußgeld zahlen. Unternehmen, die keine Beschwerdemechanismen einrichten, sollen bis zu 8 Mio. Euro Bußgeld zahlen. Bei Nichtbearbeitung von Zwischenfällen sollen Strafzahlungen in Höhe von 2% des Jahresumsatzes möglich sein. Missachtung der Sorgfaltspflichten soll außerdem an öffentlich-rechtliche Sanktionen wie z.B. Bußgelder, den Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren und von der Außenwirtschaftsförderung geknüpft sein.

Betroffene können ihre Rechte nicht nur vor deutschen Gerichten geltend machen, sondern jetzt auch Beschwerde beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle einreichen. Deutsche Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen dürfen außerdem im Ausland Betroffene bei der Vertretung ihrer Rechte vor deutschen Gerichten unterstützen.

Haltung der Parteien zum Lieferkettengesetz

CDU

Die Union ist stark gegen eine zivilrechtliche Haftung, weil sie zahlreiche Prozesse gegen deutsche Unternehmen befürchtet. Nach monatelangem Widerstand der CDU kam die Koalition dann dennoch zu einem Kompromiss. Hermann Gröhe, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion, betonte im März außerdem: „Das Sorgfaltspflichtengesetz muss wirksam sein für die Menschenrechte und umsetzbar für die Wirtschaft.“ Joachim Pfeiffer, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, bezeichnete den Entwurf im Februar deswegen als ein „Bestrafungsinstrument“ für deutsche Unternehmen, In der Plenarsitzung vom 11.06.2021 betonte Gröhe außerdem „Wir brauchen ein Gesetz, das vernünftige Handelsbeziehungen und Achtung der Menschenrechte gemeinsam stärkt.“

SPD

In einer Pressemitteilung vom 11. Juni 2021 nannte die SPD-Fraktion es „Das stärkste Lieferkettengesetz der Welt“ und Ist der Ansicht, dass an Verantwortung für Menschenrechte kein Weg vorbeigeht und Unternehmen alles tun müssen, um ihrer menschenrechtlichen Verantwortung in ihren globalen Lieferketten gerecht zu werden. Der entwicklungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Sascha Raabe betonte am 10. Juni 2021 außerdem: „Das Lieferkettengesetz ist ein historischer Schritt im Kampf gegen Ausbeutung, Kinderarbeit und Hungerlöhne.“ „Nun ist es an der EU, nachzuziehen und ein europäisches Lieferkettengesetz auf den Weg zu bringen, um europaweit ein Zeichen für Menschenrechte und gegen Ausbeutung zu setzen.“

Grüne

Die Grünen sehen das Lieferkettengesetz als wichtigen ersten Grundstein, mit Notwendigkeit zur Nachbesserung
Das Gesetz bleibe für einen Richtlinienvorschlag des Europäischen Parlaments über die hinter den verhandelten Vorgaben Sorgfaltspflicht und Rechenschaftspflicht von Unternehmen zurück. „Wer global herstellt und handelt, darf sich global nicht aus der Verantwortung stehlen.“ kritisierte Agnieszka Brugger, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion am 11. Juni 2021.
Die Fraktion reichte vier konkrete Änderungsvorschläge ein und fordert insbesondere Nachbesserungen bei

  • der Einführung einer zivilrechtlichen Haftungsnorm
  • der Reichweite der unternehmerischen Sorgfaltspflicht
  • der Anzahl der erfassten Unternehmen und
  • der Umweltbereiche.

Linke

Die Linksfraktion kritisiert, dass das geplante Lieferkettengesetz nur 0,1% der Unternehmen betrifft, die Rechte der Betroffenen zu wenig stärkt und hinter den UNLP (Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen) von 2011 zurückbleibt. Die Linksfraktion fordert daher, den Anwendungsbereich auf Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, kleine und mittlere Unternehmen in Risikosektoren wie der Textil-, Lebensmittel-, und Automobilbranche sowie staatliche Unternehmen und die öffentliche Beschaffung auszuweiten. Kollektiv- und Verbandsklagen vor deutschen Gerichten sollen eine unmittelbare Entschädigung der Betroffenen ermöglichen.

FDP

Die FDP weist darauf hin, dass deutsche Unternehmen bereits ohne feste Vorgaben viel zur Verbesserung der Lebensbedingungen beitragen würden und verwies auf Lieferkettengesetze in anderen europäischen Ländern. Bislang gebe es bislang keine ausreichenden Belege, dass diese zu einer Verbesserung der Menschenrechtslage beigetragen hätten. Die FDP kritisiert außerdem die daraus entstehende Bürokratie sowie die Abwälzung der Verantwortung auf Unternehmen. Carl-Julius Cronenberg plädierte in der Sitzung am 11. Juni 2021: „Lebensbedingungen haben sich dramatisch verbessert. Diesen Fortschritt verdanken wir nicht wohlgemeinten Gesetzen hier, sondern Handel und Investitionen in der Welt.“

AfD

Die AfD befürchtet, dass die ordnungs- und strafrechtlichen Sanktionen für in Deutschland ansässige Unternehmen, falls sie oder ihre Zulieferer die Sorgfaltspflichten nicht garantieren können, Deutschland als Wirtschaftsstandort erheblichen schädigen könnten. Ähnlich wie die FDP kritisiert die AfD außerdem die Übertragung der Verantwortung der Politik auf Unternehmen. „Was Staaten und der internationalen Gemeinschaft in Jahrzehnten nicht gelungen ist, sollen deutsche Unternehmen nun richten“, betonte René Springer am 11. Juni 2021. Die AfD initiierte zwei abgelehnte Anträge, um ein nationales und europäisches Lieferkettengesetz zu verhindern.

Haltung der Wirtschaftsverbände

BDA

Trotz Lob lehnt die BDA das geplante Lieferkettengesetz ab: „Das Gesetz ist und bleibt überregulierend und überflüssig. Es ist aber anzuerkennen, dass jetzt im Bereich der zivilrechtlichen Haftung eine wichtige Begrenzung vorgenommen wurde.“ Der BDA empfindet die Begrenzung der zivilrechtlichen Handlung als sehr wichtig und hofft, dass sich dadurch negative Auswirkungen bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Schwellenländern in Grenzen halten. Deshalb sieht der BDA die Verantwortung nun bei der Politik, ob diese die gleichen Grundsätze durchsetzen wird, wie nun auch von den Unternehmen eingefordert wird.
Wir Arbeitgeber werden nicht nachlassen, unserer Verantwortung zum Schutz der Umwelt und Menschenrechte und für faire Arbeitsbedingungen bei unseren wirtschaftlichen Aktivitäten gerecht zu werden.“

VDA

Der Verband der Automobilindustrie befürwortet die Verbesserung der menschenrechtlichen Situation entlang globaler Lieferketten, fordert allerdings auch Rechtssicherheit:

Der Schutz von Menschenrechten ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Unternehmen, staatlichen Stellen, NROs und lokalen Partnern vor Ort. Dies sollte sich im vorliegenden Gesetz klar widerspiegeln. […]

Begriffe wie „Angemessenheit“ und „Relevanz“ schaffen einerseits Flexibilität; zum anderen schaffen sie aber rechtliche Unsicherheit. […]

Der VDA spricht sich dafür aus, dass Unternehmen, die sich aktiv in Brancheninitiativen oder ähnlichen Prozesses engagieren, damit weitgehend im Sinne einer Safe-Harbour-Klausel dokumentieren können, dass sie ihrer Bemühens- und Sorgfaltspflicht nachkommen. […]

Jede von einer europäischen Regelung abweichende nationale Regulierung verursacht erheblichen Mehraufwand für Unternehmen, der deren Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Vergleich schwächt. […]

Der VDA begrüßt, dass eine zivilrechtliche Haftung für Menschenrechtsverstöße in Unternehmen entlang weit verzweigter Lieferketten, zu denen keine Vertragsbeziehung besteht, keinen Eingang in den Gesetzentwurf gefunden hat. Ein Klagerecht für Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften durch eine Prozessstandschaft lehnen wir ab. Im Sinne wirkungsvoller Abhilfe sollten Menschenrechtsverstöße vor Ort sanktioniert und vor Ort Abhilfe geschaffen werden. […]

Stellungnahme vom 01.03.2021

VDA Präsidentin Hildegard Müller plädiert außerdem für eine europäische Regelung:

Nationale Alleingänge führen zu einem regulativen Flickenteppich in Europa und weltweit, der insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen überfordert und das Ziel eines effektiven Menschenrechtsschutzes schwächt.

https://www.vda.de/de/presse/Pressemeldungen/210212-Einheitliche-europ-ische-Regulierung-zu-Menschenrechten-in-Lieferketten-nun-zwingend.html

BDI

BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang kritisierte, dass die Politik versuche, ein gutes Ziel „mit einem schlecht gemachten Gesetz“ zu erreichen. Gemeinsam mit 27 anderen Verbänden verfasste der BDI Anfang April einen Brief an alle Mitglieder des Deutschen Bundestages mit dem Titel „Kernprobleme des Regierungsentwurfs beheben“.

In diesem wird vor allem die Sorge vor der Verfehlung des Regelungszweck, der Verbesserung des Menschenrechtsschutzes betont. Denn mit dem Rückzug von Unternehmen, die nicht in der Lage sind, die Risiken des Gesetzes zu tragen, würden sich stattdessen Unternehmen mit niedrigeren Standards ansiedeln.

Außerdem forderten die Verbände die Nachbesserung von fünf Kernproblemen:

  1. Praktikable und rechtsklare Ausgestaltung der Sorgfaltspflichten unter Wahrung verfassungsrechtlicher Bestimmtheitsanforderungen
  2. Unterhalb der Schwellenwerte soll es keine Verpflichtung von Unternehmen geben
  3. Keine Diskriminierung inländischer gegenüber ausländischer Unternehmen auf dem deutschen Markt kommen
  4. Keine zivilrechtlichen Haftung durch die Hintertür und Umgehung rechtsstaatlicher Anforderungen im Zivilprozess
  5. Der Gesetzgeber darf Unternehmen nicht verpflichten, sich selbst und ihre Zulieferer zu belasten.

Die Familienunternehmer

Der Verband äußert die Bedenken, dass der benötigte Aufschwung der Wirtschaft durch das Gesetz aufgehalten wird.
Außerdem kritisiert er Risiken für Unternehmen durch unsichere Rechtsbegriffe sowie weite Klagemöglichkeiten. Weswegen sie eine „juristisch saubere Überarbeitung“ fordern.
„Es ist und bleibt ein gut gemeintes, aber miserabel verfasstes Gesetz, das darüber hinaus noch in einer Zeit aufgesetzt wird, in der die internationalen Lieferketten ohnehin äußerst brüchig und zunehmend instabil sind.“ kritisierte Reinhold von Eben-Worlée in einer Pressemitteilung am 28. Mai 2021.

Europäischer Markenverband (AIM)

Der Europäische Markenverband (AIM) unterstützt deshalb das Lieferkettengesetz.

If future EU legislation were to include liabilities, in our view, companies should be held liable for failure to establish and maintain a reasonable HRDD process, or for knowingly making false or misleading statements about their process, supported by appropriate sanctions commensurate with these obligations.

EU Mandatory Human Rights Due Diligence – AIM contribution to the debate, February 2021

Unternehmen sollten dafür haftbar gemacht werden können, dass sie keine ausreichenden Sorgfaltsverfahren eingerichtet und angewendet haben oder für bewusst falsche oder irreführende Aussagen über das Verfahren.

Deutsche Übersetzung laut Initiative Lieferkettengesetz

Karl-Heinz Gimmler

Karl-Heinz Gimmler, Rechtsanwalt und Dozent für Vertragsrecht bei BVL Seminare, kritisiert ebenfalls die Übergabe der Verantwortung der Politik auf Unternehmen:

Das bedeutet, dass den Betrieben keine Pflichten auferlegt werden sollten, die selbst eine Bundesregierung in Vereinbarungen mit anderen Staaten nicht durchsetzen kann.

https://www.businesstalk-kudamm.com/recht-steuern/karl-heinz-gimmler-ein-lieferkettengesetz-muss-mittelstandsfreundlich-sein/

Er empfindet die Umsetzung der zivilrechtlichen Haftung für nicht realisierbar und fordert die Beschränkung der Sorgfaltsanforderungen auf reine Menschenrechtsfragen und direkt überprüfbare Zulieferer und betont:

Ein Lieferkettengesetz muss mittelstandsfreundlich sein

https://www.businesstalk-kudamm.com/recht-steuern/karl-heinz-gimmler-ein-lieferkettengesetz-muss-mittelstandsfreundlich-sein/

Prof. Julia Hartmann

Prof. Dr. Julia Hartmann, Professorin für nachhaltiges Supply Chain Management am Operations Department der EBS Business School, unterstützt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Ohne ein Gesetz wird es ihrer Ansicht nach nicht möglich sein, die Menschenrechte zu verbessern. Hartmann sprach sich im November 2020 außerdem für eine zivilrechtliche Haftung aus, um tiefgehende Veränderungen zu bewirken. Des weiteren hält sie die Wahrscheinlichkeit vom Rückzug von Unternehmen aus Märkten für gering und betont, dass dies beispielsweise bei dem Thema der CO2-Emissionen bis heute nicht passiert sei. Julia Hartmann betont außerdem:

Risiken zu vermeiden ist durchaus in unternehmerischem Interesse“.

https://lieferkettengesetz.de/wp-content/uploads/2020/12/7_Argumente_fuer_ein_wirksames_LieferkettenG.pdf

Debatte auf dem DLK

Prof. Dr. Julia Hartmann moderierte auf dem Deutschen Logistik-Kongress am 21. Oktober 2021 eine Podiumsdiskussion zum Thema „Gute Lieferketten – resilient und transparent“.

Dr. Christoph Schröder, Rechtsanwalt bei der CMS Hasche Sigle Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern mbB in Hamburg, glaubt, dass das Lieferkettengesetz bleiben und langfristige Partnerschaften fördern wird. Norwegen hat ein solches Lieferkettengesetz bereits beschlossen, in den Niederlanden gibt es ein Gesetz gegen Kinderarbeit, ab 2022 auch in der Schweiz. Zwei Branchen (Holzhandelsverordnung und Konfliktmaterialienverordnung) müssen schon jetzt gesetzliche Sorgfaltspflichten erfüllen.

Das Gesetz gilt nicht nur für Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern, sondern auch für gesetzlich nicht definierte Obergesellschaften, bei denen die konzernangehörigen Mitarbeiter in Deutschland zugerechnet werden.

Bei der Obergesellschaft werden die konzernangehörigen Mitarbeiter in Deutschland zugerechnet, d.h. es kann sein, dass es drei GmbH in Deutschland gibt, die allesamt nicht über die Tausender-Grenze kommen, aber zusammengerechnet mit der Obergesellschaft auf über 1000. Dann muss die Obergesellschaft das Lieferkettengesetz anwenden, obwohl alle Töchter jeweils für sich das Lieferkettengesetz nicht anzuwenden haben.

Dr. Christoph Schröder, Rechtsanwalt bei der CMS Hasche Sigle auf dem DLK 2022

Nachhaltige Lieferketten in der Textilindustrie

Nachhaltigkeit muss im Kerngeschäft gelebt werden.

Ansgar Lohmann, Bereichsleiter Corporate Social Responsibility bei der KiK Textilien und Non-Food GmbH auf dem DLK 2022

Ansgar Lohmann, Bereichsleiter Corporate Social Responsibility bei der KiK Textilien und Non-Food GmbH, befürwortet das Lieferkettengesetz, um „Wettbewerbsgleichheit“ auf dem Markt zu erreichen. Jeder einzelne der rund 250 KiK-Lieferanten werde mindestens einmal jährlich auf Einhaltung der Sozialstandards sowie der Chemikalien- und Gebäudesicherheit kontrolliert. Mitarbeiter vor Ort sorgen dafür, dass Missstände in den Produktionsbetrieben innerhalb von sechs Monaten behoben werden. Gemeinsam mit anderen Textilhandelsunternehmen ist KiK deshalb Mitglied im Bündnis für nachhaltige Textilien. Dieses Textilbündnis entstand 2014 als gemeinsame Initiative von Bundesregierung, Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen, um durch konkrete Projekte die Arbeitsbedingungen vor Ort in der Textilindustrie zu verbessern.

Lieferkettenkontrolle mit Hilfe von Software

Luise Müller-Hofstede, Client Partner bei Circulor, präsentierte in den Innovation Pitches #6 (Software Solutions) eine App, die Ein- und Auslagerungen automatisch in einem Digitalen Zwilling verbucht. Eine solche App ermöglicht die Rückverfolgbarkeit der Wertschöpfungskette für jede Charge. Boeing, Daimler, Volvo und weiter große Unternehmen überwachen ihre Zulieferer bereits mit Hilfe von Circulor.

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