Am 24. Februar 2022 startete der russische Überfall auf die Ukraine, der weltweit Empörung und Protest hervorgerufen hat. Als Reaktion darauf haben die Staaten der Europäischen Union, Großbritannien, Kanada sowie die USA Sanktionen gegen Russland beschlossen.
Drohender Lebensmittelmangel
Russland und die Ukraine liefern zusammen 54% der weltweiten Speiseölexporte, 37% der weltweiten Eisenhalbzeugexporte sowie 25% der weltweiten Weizenexporte.
Die Ukraine exportiert Mais im Wert von 4,77 Milliarden US-Dollar, Speiseöle, darunter vor allem Sonnenblumenöl, im Wert von 3,75 Milliarden US-Dollar, Eisenerz im Wert von 3,36 Milliarden US-Dollar sowie Weizen im Wert von 3,11 Milliarden US-Dollar. Sollte der Krieg in der Ukraine noch längere Zeit andauern, so würde dies eine Knappheit an Fleisch, Futtermitteln, Speiseöl und Weizen verursachen.
Russland exportiert darüber hinaus Rohöl im Wert von 123 Milliarden US-Dollar, Erdölprodukte im Wert von 66,2 Milliarden US-Dollar sowie Erdgas im Wert von 26,3 Milliarden US-Dollar. Strategisch bedeutsam sind auch die Exporte von Nickel (28% der weltweiten Exporte) und Stickstoffdünger (13% der weltweiten Exporte). Falls Russland ein Ausfuhrverbot für strategisch wichtige Rohstoffe verhängt, so könnte dies die weltweite Nahrungsmittel- und Industrieproduktion beeinträchtigen.
Sanktionen im internationalen Luftverkehr
Aufgrund des Krieges gibt es derzeit keinen Flugverkehr in der Ukraine und im Nachbarland Moldawien.
Seit 2021 dürfen belarussische Flugzeuge den Luftraum der europäischen Union nicht mehr nutzen, so dass derzeit (Stand 31. März 2022) ausschließlich Flüge von Minsk nach Ägypten, Armenien, Dubai, Georgien, Kasachstan, Russland, in die Türkei (Istanbul) und nach Usbekistan durchgeführt werden. Flüge von Minsk nach Istanbul fliegen über das Kaspische Meer, was die Flugstrecke fast verdreifacht (4.421 km statt 1.406 km Luftlinie).
Bis zum 28. Februar 2022 haben 36 Staaten ihren Luftraum für Flugzeuge russischer Luftfahrtunternehmen gesperrt. Russland hat seinen Luftraum für Fluglinien dieser 36 Staaten ebenfalls gesperrt. Somit können Flüge zwischen Europa und Ostasien nicht mehr die kürzeste Luftlinie verwenden. Stattdessen fliegen die Flugzeuge (im März 2022) über Aserbaidschan (+17% für die Strecke Paris – Tokyo) oder über Alaska (+33% für die Strecke London-Tokyo). Dies führt nicht nur zu höheren Treibstoffkosten, sondern auch zu Verzögerungen im Flugplan, wie Achim Martinka, Vice President Germany bei Lufthansa Cargo, in der Panel-Diskussion „Transport & Global“ der Digitial Logistics Days 2022 berichtete. Chinesische Flugzeuge fliegen weiterhin die kürzeste Luftlinie über russisches Territorium.
Etwa 700 Passagierflugzeuge sind nicht in Russland zugelassen, sondern geleast und deshalb auf den Bermuda-Inseln registriert. Die Leasing-Verträge dieser Flugzeuge sollen im Zuge der Sanktionen vorzeitig gekündigt werden, außerdem sollen keine Ersatzteile mehr geliefert werden. Falls diese Flugzeuge ohne regelmäßige Wartung weiterfliegen, so würde dies gegen geltende Sicherheitsvorschriften verstoßen und außerdem den Wiederverkaufswert dieser Flugzeuge drastisch reduzieren, was wiederum von den Versicherern erstattet werden müsste und somit zu höheren Versicherungsprämien für Leasingflugzeuge führen würde.
Die russische Fluggesellschaft Aeroflot fliegt nicht mehr ins Ausland, um das Risiko einer Beschlagnahme zu minimieren. Turkish Airlines fliegt weiterhin viermal täglich von Istanbul nach Moskau-Wnukowo.
Ausfälle im internationalen Paketverkehr
Die Paketdienste DPD, Fedex/TNT, GLS und UPS befördern keine Pakete mehr nach Belarus, nach Russland oder in die Ukraine. Die Deutsche Post/DHL befördert weiterhin Pakte nach Belarus, nach Russland und auch in die Ukraine, solange die dortige Kriegssituation es zulässt. Für Pakete in die Ukraine gibt es allerdings keine Transportversicherung und keine Zustellungsgarantie.
Pakete nach Australien oder Neuseeland werden teilweise über den Seeweg umgeleitet, so dass die Transportzeit nach Australien bis zu 40 Tage und nach Neuseeland bis zu 50 Tage beträgt. Für Pakete per Luftfracht wird ein Krisenzuschlag von bis zu 3,90 Euro pro kg fällig.
Ausfälle im internationalen Eisenbahnverkehr
Seit der Corona-Krise 2020 fahren keine Personenzüge mehr zwischen Russland und der Ukraine, seit dem 15. März 2020 fahren ebenfalls keine Züge mehr von Lettland nach Minsk oder Moskau. Güterzüge über die Neue Seidenstraße verkehren weiterhin planmäßig. Viele Unternehmen verzichten inzwischen freiwillig auf den Bahntransport durch Russland und verweisen dabei auf den fehlenden Versicherungsschutz.
Der Schnellzug Allegro zwischen Helsinki und Sankt Petersburg war bis zum 27. März 2022 die einzige Bahnverbindung zur Ein- und Ausreise von und nach Russland, allerdings nur für vollständig geimpfte finnische und russische Staatsbürger. Güterzüge zwischen Finnland und Russland fahren wieder, nachdem es Unstimmigkeiten über die Abwicklung der Bezahlung gab.
Sanktionen im internationalen Schiffsverkehr
Alle ukrainischen Seehäfen sind seit dem 24. Februar 2022 geschlossen. Rund 60 Schiffe konnten diese Seehäfen nicht mehr rechtzeitig verlassen.
Sowohl die Erdgasleitung „Jamal“ als auch die Erdölpipeline „Freundschaft“, die beide über polnisches Territorium führen, sind derzeit (Stand 1. April 2022) beide nicht in Betrieb. Stattdessen sollen 28 Öltanker polnische Raffinerien auf dem Seeweg versorgen.
Ausfälle im internationalen Straßenverkehr
Die Grenzübergänge zwischen der Ukraine einerseits und Russland sowie Belarus andererseits sind derzeit (Stand 31. März 2022) geschlossen. Die Grenzübergänge zu anderen Nachbarstaaten bleiben geöffnet,
Fast alle Grenzübergänge zwischen Polen und seinen Nachbarstaaten bleiben geöffnet. Zwei kleinere Grenzübergänge zwischen Polen und Belarus (Połowce und Sławatycze) sind geschlossen (Stand 31. März 2022), an den geöffneten Grenzübergängen müssen Lastkraftwagen bis zu 78 Stunden warten.
Schätzungen zufolge arbeiten 100.000 Ukrainer als LKW-Fahrer für polnische oder litauische Speditionen. Ukrainische Fahrer transportieren rund 7% des Transportvolumens im deutschen Straßengüterverkehr, deren Rückkehr in die Heimat würde den Fahrermangel in Deutschland noch einmal deutlich verschärfen.
Ausfälle im internationalen Zahlungsverkehr
Visa, Mastercard und American Express haben ihren Betrieb in Russland eingestellt. Kreditkarten, die von russischen Banken ausgestellt wurden, können in Russland weiterhin zur bargeldlosen Zahlung verwendet werden. In Armenien, Belarus, Kasachstan, Kirgistan, in der Türkei sowie in Vietnam können russische Kreditkarten ebenfalls genutzt werden.
Erdgas nur noch gegen Rubel
Russland beabsichtigt, Erdgas in absehbarer Zukunft nur noch dann zu liefern, wenn dessen Bezahlung mit russischen Rubeln erfolgt. Dadurch soll die Rolle des russischen Rubel im Welthandel gestärkt werden: Obwohl Russland 2,0% der weltweiten Exporte hervorbringt, so ist der russische Rubel nur an 1,1% der weltweiten Währungstransaktionen beteiligt. Australien liefert 1,3% der weltweiten Exporte, der australische Dollar ist jedoch an 6,8% aller Währungstransaktionen beteiligt. Je mehr Länder Devisenreserven in Rubeln vorhalten müssen, desto schneller sinkt der Zinssatz, der in Russland seit dem 28. Februar dieses Jahres 20% und in Australien stattdessen nur 0,1% beträgt.
2018, im Jahr der Fußballweltmeisterschaft, erzielte Russland den weltweit dritthöchsten Leistungsbilanzüberschuss in Höhe von von 113 Milliarden US-Dollar, die Ukraine verzeichnete hingegen ein Leistungsbilanzdefizit von 4,5 Milliarden US-Dollar. Durch die Sanktionen stieg der russische Handelsbilanzüberschuss, während die ukrainischen Exporte aufgrund des Krieges stark gesunken sind.
Sanktionen der Software-Konzerne
Medien gehören zu den ersten Opfern des Krieges. Facebook, Twitter und Youtube können in Russland nicht mehr genutzt werden, dafür hat die Europäische Union alle Programme von Russia Today gesperrt. Amazon Prime, Disney und Netflix haben ihren Betrieb in Russland eingestellt,
Namhafte Software-Konzerne, darunter Microsoft, Oracle und SAP, beteiligen sich ebenfalls an den Sanktionen und haben den Verkauf neuer Lizenzen eingestellt. Unklar ist, ob bestehende Verträge weiter Anspruch auf Updates haben.
Reaktion der Bundesvereinigung Logistik
Die Bundesvereinigung Logistik e.V. sammelt im Dossier zur Ukraine-Krise aktuelle Informationen mit Bezug zur Transport- und Logistikbranche sowie Spendenkonten für Hilfsaktionen.