Beitragsbild: Die neue Normalität - globale Lieferketten auf dem Prüfstand?


Globalisierung am Wendepunkt?

Steht die Globalisierung am Wendepunkt? Im ersten Corona-Jahr 2020 hat der internationale Handel immerhin 52% zur Weltwirtschaftsleistung beigetragen, 2008 vor der Finanzkrise waren es sogar noch 61%. Je kleiner ein Land ist, desto größer ist der Beitrag des internationalen Handels zur Wirtschaftsleistung.

Protektionismus und (De-)Globalisierung

Protektionismus und (De-)Globalisierung sind inzwischen ernstzunehmende Trends, nicht nur aufgrund des Brexit. In den USA trägt der internationale Handel im Jahre 2020 nur noch 23% zur Wirtschaftsleistung bei, in Belgien sind es hingegen 159% und in Irland sogar 240%. Auch in China und Indien wird der Binnenmarkt ebenfalls immer wichtiger.

Land20112020Trend
China50,7 %34,5 %-16,2 %
USA31,0 %23,4 %-7,6 %
Indien55,6 %37,9 %-17,8 %
Deutschland85,2 %81,1 %-4,1 %
Indonesien50,2 %33,2 %-17,0 %
Brasilien23,9 %32,4 %+8,4 %
Mexico63,5 %78,2 %+14,7 %
Polen87,0 %105,6 %+18,6 %
Internationaler Handel (% der Wirtschaftsleistung) – Quelle: Weltbank

Dabei gibt es eine statistische Verzerrung: Güter, die beispielsweise im Hafen von Antwerpen umgeschlagen und nach Deutschland transportiert werden, werden beim Import und Export doppelt gezählt, bei der Wirtschaftsleistung jedoch nicht berücksichtigt.

Seefrachtrekord

Das globale Transportvolumen im Seefrachtbereich erreichte 2019 einen Höhepunkt: 62.000 Schiffe mit einer Kapazität von 2 Milliarden Tonnen transportierten mehr als 11 Milliarden Tonnen Güter über die Weltmeere. 5.500 Schiffe sind Containerschiffe, von denen rund 400 Schiffe im Stau stehen.

Eine Studie der DHL erklärt die jüngsten Verschiebungen im Seefrachtverkehr: Das stärkste Wachstum im Seefrachtverkehr gab es zwischen Asien und Nordamerika – dort stieg das Transportvolumen um 31%. Zwischen Asien und Europa stieg das Transportvolumen ebenfalls um 11%. Der Seefrachtverkehr von und nach Lateinamerika stieg immerhin um 6%. Andere Regionen mussten Einbußen im Seefrachtverkehr hinnehmen: Der innerasiatische Seefrachtverkehr sank am stärksten um 11 %, der Seefrachtverkehr von und nach Afrika sank ebenfalls um 6%, und der innereuropäische Seefrachtverkehr war immerhin 5% geringer als im Vorjahr.

Der Hafen von Los Angeles verzeichnete im Mai 2021 einen Rekordumschlag von 1.012.047 TEU – dort wurden 540.803 TEU importiert, 109.886 beladene und 361.358 leere TEU-Container wieder exportiert. Von Mai bis Dezember sank die importierte Umschlagmenge seither um 28%. Gleichzeitig müssen die Schiffe immer länger auf ihre Entladung warten.

Rekordgewinn für Reeder

Wenn 10% der weltweiten Containerschiffe vor chinesischen oder US-amerikanischen Häfen warten, dann steigen auch die Frachtraten. Branchenexperte Jochen Gutschmidt berichtet im BVL-Podcast #97 über die gestiegene Marktmacht der Reeder, so dass Verlader derzeit lieber langfristige Verträge abschließen sollten. Die weltgrößte Reederei Maersk erzielte beispielsweise 2021 einen Rekordgewinn.

Globalisierung in der Kritik

Die seit den 1990er Jahren beschleunigte Verlagerung der Industrieproduktion nach Asien ermöglichte eine kostengünstige Herstellung von Industrieprodukten. Nachteile der Globalisierung sind:

  • längere Lieferzeiten
  • höhere Transportemissionen und Transportkosten
  • schlechtere Arbeitsbedingungen als in Europa

Der Transport von Industrieprodukten von Asien nach Europa dauert auf dem Seeweg etwa 30-40 Tage. Störungen in der Produktion führen einige Wochen später somit zu Störungen bei der Auslieferung. Während der Corona-Krise waren die internationalen Lieferketten zeitweise unterbrochen.

Prof. Kai Hoberg von der Kühne Logistics University diskutiert deshalb im BVL-Podcast #101 über Vorteile und Nachteile der Regionalisierung der Globalen Lieferketten. Die Verlagerung der Industrieproduktion nach Europa, Nordafrika oder in den Nahen Osten kann sich lohnen, wenn kurze Lieferzeiten, ökologische und soziale Nachhaltigkeit sowie bessere Arbeitsbedingungen einen höheren Stellenwert bekommen.

Emissionsfreier Gütertransport

Etwa 25 Prozent des weltweit emittierten CO2 stammt aus dem Transportsektor. Der Seeverkehr ist für 3% der Emissionen verantwortlich, der Luftverkehr für 2% und der Straßengüterverkehr für weitere 7%. Der motorisierte Individualverkehr verursacht darüber hinaus 12% der CO2-Emissionen.

Michael Maass, Vice President Sustainability Solutions Sea bei Kuehne + Nagel, berichtete im BVL-Podcast -Interview #19 mit Boris Felgendreher, dass sein Unternehmen bis 2030 die vollständigen CO₂-Neutralität aller Logistik-Dienstleitungen erreichen möchte. Dies betrifft sowohl die eigenen Betriebsaktivitäten (Scope 1 der Greenhouse Gas Protokoll Initiative) als auch die beauftragten Fluggesellschaften, Reedereien und Speditionen (Scope 3 der Greenhouse Gas Protokoll Initiative).

Eine erste Pilotanlage in der niedersächsischen Stadt Werlte soll dafür jährlich 25.000 Liter synthetisch hergestelltes Kerosin produzieren. Dadurch soll ein emissionsfreier Luftverkehr zumindest auf Teststrecken ermöglicht werden.

Globalisierung und Transport bei den Digital Logistics Days 2022

Bei den diesjährigen Digital Logistics Days vom 15. bis 17. März 2022 haben Sie die Möglichkeit, interessante Gäste aus Großunternehmen und Startups kennenzulernen. Am dritten Tag dreht sich diesmal alles um die Themen Globalisierung und Transport („Transport & Global“). Unsere Gäste sind deshalb:

Anschließend präsentieren unsere Sponsoren DB Cargo, Oracle, Mixmove und IBM iX ihre Lösungen für eine moderne und nachhaltige Transportlogistik. Oracle war im vergangenen Jahr ebenfalls Sponsor unserer Digital Logistics Days 2021.

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