Das Jahr 2020 verzeichnet 2857 neue Startups in Deutschland mit einer Investitionssumme von 5,3 Milliarden Euro. Lediglich 6% der Startups entstanden im Bereich „Auto / Logistik / Verkehr“. Fünf Startups präsentierten sich beim diesjährigen LogTech-Festival.
Startups in der Logistik
Im Gespräch mit Nikolai Posanok nannte Tanja Rosendahl, Managing Partner bei F-LOG Ventures, drei Gründe, warum Risikokapitalgeber sich weiterhin für LogTech-Startups interessieren:
- Niedrige Zinsen
- Fachkräftemangel
- E-Commerce-Boom durch Corona
Logistiker haben großes Interesse an der Zusammenarbeit mit Startups, weil Startups im Vergleich mit großen Marktteilnehmern flexibler sind. Die Skalierung der Logistik ist jedoch kein Kinderspiel. Folgende vier Geschäftsfelder werden derzeit besonders stark nachgefragt:
- CO2-Reduktion und alternative Verpackungen
- Reverse Logistik (Retourenmanagement)
- City Hubs für die Letzte Meile
- Intelligente Technik für das Lager (Smart Warehousing)
Wir finanzieren Startups in der Frühphase mit 500.000 bis 1 Million Euro, wenn sie langfristig für die Logistik interessant sind.
Tanja Rosendahl, Managing Partner bei F-LOG Ventures
Wichtig ist, dass die Startups ein gutes Team bzw. ein großes Netzwerk mitbringen. Unternehmen sollten nicht nur auf die Profitabilität, sondern auch auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit achten.
Picnic – wie der moderne Milchmann die Zukunft gestaltet
Manuel Stellmann von Picnic Deutschland stellte sein Unternehmen bereits im Podcast #65: Die Logistik des Online Supermarkts Picnic vor. Picnic verkauft alle auf dem Markt erhältlichen Lebensmittel zum günstigsten Preis und liefert außerdem gratis direkt ins Haus, somit kann Picnic etwa 7-10 Kunden pro Stunde beliefern. Sowohl die elektrisch betriebenen Lieferfahrzeuge als auch die Software von Picnic sind innovativ: Die eigene Software ermöglicht eine schnelle Anpassung an veränderte Geschäftsprozesse, alle zwei Wochen werden neue Releases installiert.
Plattformökonomie in der Logistik
Philipp Ortwein, Co-Founder und Managing Director von InstaFreight, präsentierte anschließend in seiner Keynote „Plattformökonomie in der Logistik“ Argumente für die Nutzung einer digitalen Spedition. Sieben der zehn wertvollsten Unternehmen der Welt seien derzeit Plattformen, darunter beispielsweise Amazon. Plattformen sind gegenüber Einzelunternehmen im Vorteil, weil sie eine effiziente Skalierung ermöglichen, Netzwerkvorteile nutzen und eine Qualitätskontrolle ermöglichen. Selbst das zweitgrößte Logistikunternehmen Deutschland, DB Schenker, organisiere lediglich 3% der Straßentransporte, Kühne+Nagel sogar nur 0,2%. Viele Spediteure fahren nicht selber, sondern vergeben Transportaufträge an kleine und mittelständische Unternehmen, die durchschnittlich nur sechs LKW besitzen. Jeder Transportauftrag läuft über fünf bis sieben Zwischenschritte, dadurch geht Transparenz verloren und 90 EUR von 600 EUR Erlös einer durchschnittlichen LKW-Tagesfahrt gehen an die Zwischenhändler. InstaFreight möchte deshalb Angebot und Nachfrage auf einer einzigen Plattform zusammenbringen.
Fünf vielversprechende Startups
sento.io modernisiert EDI
Lucian Riediger von sento.io beklagt, dass der Elektronische Datenaustausch sich seit 30 Jahren nicht verändert hat. EDI-Dokumente werden weiterhin per E-Mail versendet. Stammdaten sind in jedem System anders definiert, 123456789 bezeichnet beispielsweise im zweiten System einen anderen Artikel als im ersten System. Experten mit EDI-Kenntnissen, die EDI-Dokumente ins betriebsinterne ERP-System, Lagerverwaltungssystem oder Transportmanagementsystem anpassen können, sind inzwischen kaum noch verfügbar. Sento.io entwickelt deshalb eine serverlose EDI-Infrastruktur, die vollautomatisch EDI-Dokumente übersetzt und validiert, speichert und findet, transformiert und anbindet.
MixMOVE reduziert halbleere LKW-Fahrten
„3M makes Money out of air” lautet der vielversprechende Titel, mit dem MIXMOVE im BVL.digital-Blog und im Webinar seine Software zur effizienten Beladung von Transportmitteln vorgestellt hat.
statpile automatisiert die Wareneingangskontrolle
Statpile ist ein Startup in Karlsruhe, das die Wareneingangsprüfung automatisieren und somit effizienter gestalten möchte. Aus Zeitmangel werden beim Wareneingang allerdings nicht alle Waren mit der gleichen Sorgfalt überprüft und ausgebucht. Statpile ist ein lernendes System, das Lieferanten und deren Warenlieferungen aufgrund historischer Erfahrungen bewertet und somit die Ressourcenverschwendung reduziert.
drivemybox sucht Fahrer im Netz
Aaron Spandehra ist Mitgründer von drivemybox. Dieses Hamburger Startup vermittelt selbstständige LKW-Fahrer für Containertransporte.
BigMile berechnet CO2-Emissionen
Dirk Franke ist Managing Director der BigMile Germany GmbH und präsentierte deshalb im fünften Pitch die Software seines Unternehmens zur Berechnung von CO2-Emissionen. Zur Berechnung der CO2-Emissionen gibt es weiterhin unterschiedliche Berechnungsmethoden mit unterschiedlicher Datenqualität:
- Die entfernungsbasierte Berechnungsmethodik verwendet je Tonnenkilometer einen branchenüblichen Durchschnittswert.
- Die verbrauchsbasierte Berechnungsmethodik ermittelt den Treibstoff, der innerhalb einer Periode verbraucht wurde, und berechnet daraus anschließend die CO2-Emissionen.
- Die verbrauchsbasierte Berechnungsmethodik ermittelt den Treibstoffverbrauch für jedes einzelne Fahrzeug und jede einzelne Tour, so dass der CO2-Ausstoß möglichst präzise ermittelt werden kann.
Startport fördert Innovationen in der Logistik
Startport, eine 2017 gegründete Tochtergesellschaft der Duisburger Hafen AG (duisport) und ein Sponsor des diesjährigen LogTech-Festivals, fördert dementsprechend Startups im Bereich Logistik durch Beratung, finanzielle Unterstützung und kostenlose Büroräume.
Das Ökosystem der „Neuen Logistik”
Als Einleitung zur Paneldiskussion präsentierte Martin Schwemmer, Leiter Market Intelligence beim Fraunhofer SCS, anschließend diejenigen Technologien, bei denen es besonders viele Neugründungen gibt. Cloud und Mobile Computing sind unter den Startups besonders stark vertreten, weiterhin sind auch Software as a Service, Data Analytics, Künstliche Intelligenz und Internet of Things stark vertreten. Datenquellen nehmen rasant zu. Am wichtigsten ist, dass die Technologie zum Problem passt, darüber hinaus helfen ein großes Netzwerk und eine gute
Ressourcenausstattung den Startups beim Wachstum.
Boris Felgendreher, vielen inzwischen als Host des BVL.digital-Podcast bekannt, moderierte die Panel-Diskussion mit folgenden Gästen (in alphabetischer Reihenfolge):
- Mathias Bosse, Senior Investment Manager, Seed + Speed Ventures
- Aike Festini, Co-Founder & CEO, Luckabox
- Boris Hueske, Head of Digital Transformation bei Lufthansa Cargo
- Jakub Piotrowski, Chief Digital Officer, BLG Logistics
- Martin Schwemmer, Leiter Market Intelligence beim Fraunhofer SCS
Für Mathias Bosse ist es wichtig, dass Startups ihren Platz im Netzwerk finden, dies gilt auch für Startups untereinander. Aike Festini berichtet, dass in der Schweiz eher Startups mit dem Schwerpunkt BioTech als solche mit dem Schwerpunkt Logistik gefördert werden. Boris Hueske bezeichnete die Datenvernetzung als große Herausforderung für Lufthansa Cargo. Jakub Piotrowski nannte drei Innovationen, die von der BLG derzeit besonders gefördert werden: Autonomes Fahren, Künstliche Intelligenz und Internet of Things. Martin Schwemmer glaubt, dass die Blockchain in der Zukunft eine bedeutsame Rolle spielen wird.